Seite 181 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Die Nacht des Ringens
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schen, der sich seiner Unwürdigkeit bewußt ist und sich dennoch
zuversichtlich auf die Treue Gottes verläßt, der seinen Bund hält.
Jakob „kämpfte mit dem Engel und siegte“.
Hosea 12,5
. Weil
er bereute, weil er sich erniedrigte und ganz auslieferte, überwand
dieser sündige, irrende Sterbliche die Majestät des Himmels. Er hielt
sich an die Verheißungen Gottes, und die unendliche Liebe konnte
sich dem dringenden Verlangen des Schuldigen nicht versagen.
Der Irrtum, der Jakob dazu verleitet hatte, das Erstgeburtsrecht
durch Betrug an sich zu bringen, stand ihm gerade jetzt klar vor
Augen. Er hatte nicht auf Gottes Verheißungen vertraut, sondern
mit eigenen Anstrengungen erreichen wollen, was Gott zu seiner
Zeit und auf seine Weise getan hätte. Als Bestätigung dafür, daß
ihm vergeben war, wurde sein Name geändert: aus der Erinnerung
an seine Sünde wurde das Gedenken an seinen Sieg. „Du sollst“,
sagte der Engel, „nicht mehr Jakob [= Fersenhalter] heißen, sondern
Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast
gewonnen.“
1.Mose 32,29
.
Jakob hatte den Segen empfangen, nach dem er sich sehnte. Sein
schuldhaftes Versagen als Verdränger und Betrüger war vergeben,
die Krise seines Lebens überwunden. Zweifel und Gewissensangst
hatten sein Dasein bis dahin verbittert. Aber nun war alles anders.
Tiefer Friede erfüllte nach der Versöhnung mit Gott seine Brust. Nun
fürchtete sich Jakob nicht mehr vor der Begegnung mit dem Bruder.
Der ihm selbst die Sünden vergeben hatte, konnte auch Esaus Herz
bewegen, Jakobs Demütigung und Reue freundlich aufzunehmen.
Während Jakob mit dem Engel rang, wurde ein andrer himmli-
scher Bote zu Esau gesandt. Im Traum sah er den Bruder als einen
zwanzig Jahre lang vom Vaterhause Verbannten. Er erlebte seinen
Kummer, als Jakob vom Tode der Mutter erfuhr, und sah ihn von
himmlischen Heerscharen umgeben. Esau erzählte diesen Traum
seinen Kriegern und befahl ihnen, Jakob kein Leid zu tun, da der
Gott seines Vaters mit ihm sei.
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Schließlich näherten sich sie beiden Scharen einander: der Wü-
stenhäuptling an der Spitze seiner Kriegsleute und Jakob mit Frauen
und Kindern, Hirten und Mägden, denen lange Reihen von Groß-
und Kleinvieh folgten. Auf seinen Stab gestützt, schritt der Erzvater
auf die Kriegerschar zu. Bleichen Angesichts, von seinem Kampf