Seite 182 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
entkräftet, ging er langsam unter Schmerzen und hinkte bei jedem
Schritt. Aber aus seinem Gesicht leuchteten Freude und Friede.
Beim Anblick des Leidenden lief Esau „ihm entgegen und herz-
te ihn und fiel ihm um den Hals und küßte ihn, und sie weinten“.
1.Mose 33,4
. Sogar Esaus rauhe Krieger waren von diesem Gesche-
hen gerührt. Wohl hatte er ihnen von dem Traum erzählt, und doch
konnten sie sich die Veränderung ihres Häuptlings nicht erklären.
Wohl nahmen sie die Gebrechlichkeit des Patriarchen wahr, ahnten
aber nicht, daß dessen Schwäche seine Stärke war.
In der qualvollen Nacht am Jabbok, als alles verloren schien, hat-
te Jakob gelernt, wie nichtig menschlicher Beistand und wie sinnlos
Vertrauen auf menschliche Macht ist. Er erkannte, daß Hilfe nur von
dem kommen konnte, gegen den er sich so schwer versündigt hatte.
Nun nahm er hilflos und unwürdig Gottes Gnadenverheißung für den
reuigen Sünder in Anspruch. Sie vermittelte ihm die Gewißheit, daß
ihm vergeben und er wieder bei Gott angenommen war. Eher könn-
ten Himmel und Erde vergehen, als daß sich diese Verheißung nicht
erfüllte. Und das hielt ihn in seinem furchtbaren Kampf aufrecht.
Jakobs Erfahrung in jener Nacht des Ringens und der Angst
versinnbildet die Trübsal, durch die Gottes Volk unmittelbar vor
der Wiederkunft Christi gehen muß. Der Prophet Jeremia sah diese
Zeit im Gesicht voraus und sagte: „Wir hören ein Geschrei des
Schreckens; nur Furcht ist da und kein Friede ... Wie kommt es denn,
daß ... alle Gesichter so bleich sind? Wehe, es ist ein gewaltiger Tag,
und seinesgleichen ist nicht gewesen, und es ist eine Zeit der Angst
für Jakob; doch soll ihm daraus geholfen werden.“
Jeremia 30,5-7
.
Diese Zeit der Angst beginnt, wenn Christus sein Werk als Mittler
für die Menschen beendet. Dann ist der Fall eines jeden Menschen
entschieden, und es wird kein sühnendes Blut mehr geben, das ihn
von der Sünde reinigt. Wenn also Jesus die Fürsprache des Menschen
beendet hat, erfolgt die gewichtige Ankündigung: „Wer böse ist, der
sei fernerhin böse, und wer unrein ist, der sei fernerhin unrein, aber
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wer fromm ist, der sei fernerhin fromm, und wer heilig ist, der sei
fernerhin heilig.“
Offenbarung 22,11
. Dann wird der Geist Gottes,
der das Böse in Schranken hielt, von der Erde zurückgezogen. Wie
Jakob von seinem zornigen Bruder mit dem Tode bedroht wurde,
so wird das Volk Gottes durch die Gottlosen gefährdet sein, die es
zu vernichten suchen. Und wie der Erzvater die ganze Nacht um