Seite 201 - Patriarchen und Propheten (1999)

Basic HTML-Version

Joseph in Ägypten
197
tan, weswegen sie mich hätten ins Gefängnis setzen dürfen.“
1.Mose
40,14.15
. Der Obermundschenk erlebte die Erfüllung des Traumes
bis ins einzelne. Aber nachdem er des Königs Gunst wiedergewon-
nen hatte, dachte er nicht länger an seinen Wohltäter. Noch zwei
Jahre blieb Joseph im Gefängnis. Die Hoffnung, die in ihm geweckt
worden war, erlosch allmählich, und zu allen Anfechtungen kam
noch der bittere Stachel des Undanks.
Aber Gottes Hand war im Begriff, die Gefängnistore zu öffnen.
Ägyptens König hatte in einer Nacht zwei Träume, die sich offenbar
auf dasselbe Ereignis bezogen und ein großes Unglück anzukündi-
gen schienen. Er konnte sie sich nicht deuten, deshalb beunruhigten
sie ihn fortwährend. Auch die Zauberer und Weisen seines Reiches
vermochten ihm keine Erklärung dafür zu geben. Des Königs Un-
ruhe und Bestürzung wuchsen dadurch nur noch, und Schrecken
verbreitete sich im ganzen Palast. In der allgemeinen Aufregung
entsann sich der Mundschenk seines eigenen Traumerlebnisses, und
damit kam ihm die Erinnerung an Joseph. Jetzt plagte ihn doch Reue
über seine Vergeßlichkeit und Undankbarkeit. Sofort meldete er dem
König, wie sein Traum und der des Oberbäckers von einem hebräi-
schen Gefangenen gedeutet worden war und sich die Voraussagen
erfüllt hatten.
Es war beschämend für Pharao, sich nach den Zauberern und
Weisen seines Reiches an einen Fremden wenden zu müssen und
noch dazu an einen Sklaven. Aber wenn er nur von seiner Unruhe
befreit würde, war ihm auch die bescheidenste Hilfe recht. Sofort
schickte er nach Joseph. Dieser legte seine Gefängniskluft ab und
ließ sein Haar scheren, da es in der Zeit der Haft lang geworden war.
Dann führte man ihn zum König.
„Da sprach der Pharao zu ihm: Ich habe einen Traum gehabt,
und es ist niemand, der ihn deuten kann. Ich habe aber von dir
sagen hören, wenn du einen Traum hörst, so kannst du ihn deuten.“
Joseph antwortete dem Pharao: „Das steht nicht bei mir; Gott wird
jedoch dem Pharao Gutes verkündigen.“
1.Mose 41,15.16
. Josephs
[193]
Antwort verrät Demut und Glauben an Gott. Bescheiden weist er
das Verdienst zurück, selbst höhere Weisheit zu besitzen. „Das steht
nicht bei mir.“ Gott allein kann diese Geheimnisse erklären.
Dann fuhr der Pharao fort und erzählte seine Träume: „Mir
träumte, ich stand am Ufer des Nils und sah aus dem Wasser steigen