Seite 203 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Joseph in Ägypten
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Gefängnisses entwickelt hatte. Ganz offensichtlich verfügte er über
hervorragende Fähigkeiten auf organisatorischem Gebiet. Der von
Gewissensbissen geplagte Mundschenk tat jetzt sein Möglichstes,
die frühere Undankbarkeit wiedergutzumachen, und empfahl sei-
nen Wohltäter aufs wärmste. Außerdem bestätigten anderweitige
Erkundigungen die Richtigkeit seiner Aussagen. Im ganzen Reich
war Joseph der einzige mit solcher Weisheit begabte Mann, der auf
die drohende Gefahr hinweisen und zugleich Maßnahmen nennen
konnte, ihr zu begegnen. Der König gewann die Überzeugung, daß
Joseph der Geeignetste sei, die von ihm vorgeschlagenen Pläne auch
durchzuführen. Ganz offensichtlich stand er unter dem Einfluß einer
göttlichen Kraft; jedenfalls war keiner der königlichen Beamten da-
zu fähig, in der bevorstehenden Krise die Staatsgeschäfte zu führen.
Der Umstand, daß Joseph ein hebräischer Sklave war, bedeutete
gegenüber seiner offenkundigen Weisheit und dem gesunden Ur-
teilsvermögen nicht viel. „Wie könnten wir einen Mann finden, in
dem der Geist Gottes ist wie in diesem?“ (
1.Mose 41,38
) sagte der
König zu seinen Ratgebern.
Pharao entschied sich für Josephs Ernennung und machte ihm
die überraschende Ankündigung: „Weil dir Gott dies alles kundge-
tan hat, ist keiner so verständig und weise wie du. Du sollst über
mein Haus sein, und deinem Wort soll all mein Volk gehorsam sein;
allein um den königlichen Thron will ich höher sein als du.“ Dann
bekleidete er ihn mit den Abzeichen des hohen Amtes: „Und er tat
seinen Ring von seiner Hand und gab ihn Joseph an seine Hand
und kleidete ihn mit kostbarer Leinwand und legte ihm eine goldene
Kette um seinen Hals und ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren
und ließ vor ihm her ausrufen: Der ist des Landes Vater!“
1.Mose
41,39.40.42.43
.
„Er setzte ihn zum Herrn über sein Haus, zum Herrscher über alle
seine Güter, daß er seine Fürsten unterwiese nach seinem Willen und
seine Ältesten Weisheit lehrte.“
Psalm 105,21.22
. Aus dem Gefäng-
nis heraus wurde Joseph zum Herrn über ganz Ägypten erhoben. Das
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war eine höchst ehrenvolle Stellung, jedoch mit Schwierigkeiten und
Verantwortung verbunden. Man steht nicht gefahrlos in stolzer Höhe.
Der Sturm kann der bescheidenen Blume im Tal nichts anhaben,
wohl aber entwurzelt er den prächtigen Baum auf dem Berge. Wer
sich in einem anspruchslosen Leben Redlichkeit bewahrt hat, kann