Seite 208 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Die drei Tage im ägyptischen Gefängnis waren eine sehr sorgen-
volle Zeit, in der die Brüder über ihre früheren Sünden nachdachten.
Wurde Benjamin nicht herbeigebracht, schien ihre Verurteilung als
Spione sicher. Sie hatten anderseits wenig Hoffnung, daß der Vater
die Zustimmung zu Benjamins Reise geben würde. Am dritten Tage
ließ Joseph seine Brüder vor sich bringen. Er wagte sie nicht länger
in Haft zu behalten, da der Vater und die Familien möglicherweise
schon Hunger litten. „Wollt ihr leben“, sagte er, „so tut nun dies,
denn ich fürchte Gott: Seid ihr redlich, so laßt einen eurer Brüder
gebunden liegen in eurem Gefängnis; ihr aber zieht hin und bringt
heim, was ihr gekauft habt für den Hunger. Und bringt euren jüng-
sten Bruder zu mir, so will ich euren Worten glauben, so daß ihr nicht
sterben müßt.“
1.Mose 42,18-20
. Mit diesem Vorschlag erklärten
sie sich einverstanden, obwohl sie betonten, sie hätten nur geringe
Hoffnung, daß ihr Vater Benjamin mit ihnen zurückkehren lassen
würde. Da sich Joseph durch Dolmetscher mit ihnen verständigt
hatte, vermuteten sie nicht, daß er sie verstehen könnte. Darum un-
terhielten sie sich in seiner Gegenwart offen miteinander. Sie klagten
sich wegen der Behandlung Josephs gegenseitig an: „Das haben wir
an unserm Bruder verschuldet! Denn wir sahen die Angst seiner
Seele, als er uns anflehte, und wir wollten ihn nicht erhören; darum
kommt nun diese Trübsal über uns.“
1.Mose 42,21
. Ruben war es,
der bei Dothan den Plan zu Josephs Rettung ersonnen hatte, und er
fügte nun hinzu: „Sagte ich‘s euch nicht, als ich sprach: Versündigt
euch nicht an dem Knaben, doch ihr wolltet nicht hören? Nun wird
sein Blut gefordert.“
1.Mose 42,22
. Als Joseph das hörte, wurde er
seiner Rührung nicht länger Herr; er ging hinaus und weinte. Nach
seiner Rückkehr befahl er, Simeon vor ihren Augen zu binden und
wieder ins Gefängnis zu werfen. Er war bei der grausamen Behand-
lung ihres Bruders der Anstifter und Haupttäter gewesen, darum fiel
die Wahl auf ihn.
Ehe Joseph seinen Brüdern erlaubte aufzubrechen, gab er An-
weisung, sie mit Getreide zu versorgen und jedem das Geld heimlich
wieder oben in den Sack zu legen. Er versah sie auch mit Futter für
die Tiere zur Heimreise. Auf dem Wege öffnete einer von ihnen sei-
nen Sack und war bestürzt, seinen Beutel mit Silber darin zu finden.
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Er sagte das den andern, die sich beunruhigt und erschrocken frag-
ten: „Warum hat Gott uns das angetan?“
1.Mose 42,28
. — Sollten