Seite 209 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Joseph und seine Brüder
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sie es als günstiges Zeichen vom Herrn ansehen, oder hatte er es
zugelassen als Strafe für ihre Schuld, um sie in noch tiefere Not zu
stürzen? Sie mußten sich eingestehen, daß Gott ihre Sünden gesehen
hatte und sie nun dafür strafte.
Sorgenvoll erwartete Jakob die Rückkehr seiner Söhne. Als sie
ankamen, scharte sich das ganze Lager ungeduldig um sie, während
sie dem Vater alles, was sich ereignet hatte, berichteten. Furcht und
Schrecken bemächtigte sich aller. Das Verhalten des ägyptischen
Regenten schien auf böse Absichten angelegt zu sein. Und ihre
Befürchtungen wurden bestätigt, als sie die Säcke öffneten und in
jedem das eigene Geld fanden. In seinem Kummer rief der alte
Vater: „Ihr beraubt mich meiner Kinder! Joseph ist nicht mehr da,
Simeon ist nicht mehr da, Benjamin wollt ihr auch wegnehmen; es
geht alles über mich.“ Ruben antwortete darauf: „Wenn ich ihn dir
nicht wiederbringe, so töte meine zwei Söhne. Gib ihn nur in meine
Hand, ich will ihn dir wiederbringen.“
1.Mose 42,36.37
. Aber mit
solchen voreiligen Worten war Jakobs Sorge nicht zu beheben. Seine
Antwort lautete: „Mein Sohn soll nicht mit euch hinabziehen; denn
sein Bruder ist tot, und er ist allein übriggeblieben. Wenn ihm ein
Unfall auf dem Wege begegnete, den ihr reiset, würdet ihr meine
grauen Haare mit Herzeleid hinunter zu den Toten bringen.“
1.Mose
42,38
.
Aber die Dürre hielt an, und im Laufe der Zeit war der Vorrat an
Korn, das sie aus Ägypten mitgebracht hatten, nahezu aufgebraucht.
Jakobs Söhne wußten nur zu gut, daß es nutzlos sein würde, ohne
Benjamin nach Ägypten zurückzukehren. Und weil sie wenig Hoff-
nung hatten, daß sie ihres Vaters Entschluß ändern könnten, warteten
sie stillschweigend auf einen Ausweg. Immer drückender machte
sich die Hungersnot bemerkbar. Aus den sorgenvollen Gesichtern
aller Lagerbewohner erkannte der alte Mann die Not, und schließ-
lich sagte er: „Zieht wieder hin und kauft uns ein wenig Getreide.“
1.Mose 43,2
.
Juda antwortete ihm: „Der Mann schärfte uns das hart ein und
sprach: Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, es sei denn euer Bruder
mit euch. Willst du nun unsern Bruder mit uns senden, so wollen
wir hinabziehen und dir zu essen kaufen. Willst du ihn aber nicht
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senden, so ziehen wir nicht hinab. Denn der Mann hat zu uns gesagt:
Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, euer Bruder sei denn mit euch.“