Seite 221 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Joseph und seine Brüder
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Seine letzten Jahre brachten Jakob nach leidvoller, mühseliger
Lebenszeit einen ruhigen, heiteren Lebensabend. Dunkle Wolken
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hatten sich über seinem Lebensweg zusammengezogen, aber seine
Sonne ging leuchtend unter, und Himmelsstrahlen verklärten die
Abschiedsstunden. Die Schrift sagt: „Um den Abend wird es licht
sein.“
Sacharja 14,7
. — „Bleibe fromm und halte dich recht; denn
einem solchen wird es zuletzt gut gehen.“
Psalm 37,37
.
Jakob hatte gesündigt und dafür gebüßt. Viele Jahre mühseliger
Arbeit voll Sorge und Kummer waren vergangen, seitdem er we-
gen seiner großen Schuld aus dem Zelt seines Vaters hatte fliehen
müssen. Ein heimatloser Flüchtling war er gewesen, getrennt von
seiner Mutter, die er nie wiedersah. Sieben Jahre arbeitete er um das
Mädchen, das er liebte, und wurde dann doch schmählich betrogen.
Zwanzig Jahre arbeitete er schwer für einen geizigen, habsüchtigen
Verwandten. Zwar sah er den eigenen zunehmenden Wohlstand und
um sich her seine heranwachsenden Söhne, aber er erlebte wenig
Freude in der uneinigen, streitsüchtigen Familie. Er war bekümmert
über die Schande seiner Tochter, die Rache ihrer Brüder, den Tod
Rahels, Rubens Frevel, Judas Sünde, die grausam hinterlistige, böse
Art, wie man mit Joseph verfahren war. Wie lang und düster ist doch
die schlimme Liste, wenn man sie vor Augen sieht! Immer und im-
mer wieder hatte er die Frucht seiner ersten unrechten Tat geerntet.
Und darüber hinaus hatte er erlebt, wie sich bei seinen Söhnen die
Sünden wiederholten, deren er sich bereits schuldig gemacht hatte.
Aber so bitter die Lehre auch gewesen war, sie war nicht vergebens
gewesen. Die Züchtigung hatte, wenn sie auch schmerzhaft war,
„eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit“ (
Hebräer 12,11
) gewirkt.
Das geisterfüllte Wort berichtet gewissenhaft auch die Mängel
der Frommen, die Gottes Gnade in besonderem Maße erlebten. Ihre
Fehler werden tatsächlich ausführlicher berichtet als ihre Vorzüge.
Darüber haben sich viele gewundert, und den Ungläubigen bot es An-
laß, über die Bibel zu spotten. Aber es ist gerade einer der stärksten
Wahrheitsbeweise der Schrift, daß Tatsachen nicht beschönigt und
die Sünden führender Persönlichkeiten nicht verheimlicht werden.
Der menschliche Verstand ist dermaßen dem Vorurteil unterworfen,
daß menschliche Berichterstattung nicht völlig unparteiisch sein
kann. Wäre die Bibel nicht von geisterfüllten Menschen geschrieben
worden, wären deshalb die Wesenszüge ihrer verdienten Männer