Seite 222 - Patriarchen und Propheten (1999)

Basic HTML-Version

218
Patriarchen und Propheten
sicher in einem schmeichelhafteren Lichte dargestellt worden. So
[213]
aber haben wir einen wahrheitsgemäßen Bericht ihrer Erlebnisse.
Auch gottbegnadete Menschen mit großer Verantwortung wur-
den manchmal in der Versuchung überwältigt und sündigten, ge-
nauso wie wir uns heute anstrengen und doch oft schwanken und
in Irrtum verfallen. Ihr Leben mit allen Fehlern und Torheiten liegt
offen vor uns, einmal zur Ermutigung, zum andern zur Warnung.
Wären sie ohne Schwächen dargestellt worden, müßten wir mit un-
serer sündigen Natur nach Irrtümern und Mißerfolgen verzweifeln.
Aber wenn wir erfahren, wie sich andere bei Schwierigkeiten hin-
durchkämpften, die den eigenen ähneln, und wenn wir wahrnehmen,
wie sie gleich uns in Versuchung fielen und doch wieder Mut faßten
und durch Gottes Gnade ihrer Herr wurden, ermutigt uns das in un-
serm Ringen um Gerechtigkeit. So wie sie nach Rückschlägen doch
wieder Grund faßten und von Gott gesegnet wurden, so können auch
wir in der Kraft Jesu Überwinder werden. Andererseits kann uns
ihre Lebensgeschichte zur Warnung dienen. Sie zeigt, daß Gott dem
Schuldigen nichts durchgehen läßt. Er merkt auch bei den beson-
ders Begnadeten auf die Sünde und verfährt mit ihnen strenger als
mit denen, die weniger Erkenntnis und Verantwortung empfangen
haben.
Nach Jakobs Begräbnis begannen sich Josephs Brüder wieder
zu fürchten. Trotz seiner Freundlichkeit machte sie ihr Schuldbe-
wußtsein argwöhnisch und mißtrauisch. Es konnte ja sein, daß er
seine Rache mit Rücksicht auf den Vater nur aufgeschoben hatte und
nun die so lange verzögerte Bestrafung ihrer Verbrechen vollziehen
würde. Sie wagten darum nicht, persönlich vor ihm zu erscheinen,
sondern sandten ihm eine Botschaft: „Dein Vater befahl vor seinem
Tode und sprach: So sollt ihr zu Joseph sagen: Vergib doch deinen
Brüdern die Missetat und ihre Sünde, daß sie so übel an dir getan
haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes
deines Vaters!“
1.Mose 50,16.17
. Diese Botschaft rührte Joseph zu
Tränen, und dadurch ermutigt, kamen seine Brüder und fielen vor
ihm nieder mit den Worten: „Siehe wir sind deine Knechte.“
1.Mose
50,18
. Josephs Liebe zu seinen Brüdern war tief und selbstlos; der
Gedanke, daß sie ihm Rachsucht zutrauten, schmerzte ihn. „Fürchtet
euch nicht!“ sagte er. „Stehe ich denn an Gottes Statt? Ihr gedachtet
es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen,