Seite 232 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Mose blieb bis zum vierzigsten Lebensjahr am Hofe. In Gedan-
ken beschäftigte er sich oft mit der Erniedrigung seines Volkes. Er
besuchte die geknechteten Brüder und ermunterte sie mit der Zu-
sicherung, daß Gott für ihre Befreiung sorgen werde. Oft überkam
ihn Groll, wenn er Härte und Ungerechtigkeit mit ansehen mußte.
Dann brannte er darauf, das ihnen zugefügte Übel zu rächen. Als er
eines Tages wieder einmal draußen war, bemerkte er, wie ein Ägyp-
ter einen Israeliten mißhandelte. Da sprang er zu und erschlug den
Ägypter. Mit Ausnahme des einen Israeliten gab es keinen Zeugen
für die Tat, und Mose vergrub den Leichnam schnell im Sande. Jetzt
hatte er bewiesen, daß er bereit war, die Sache seines Volkes zu ver-
treten, und er hoffte, sie würden sich nun erheben, um die Freiheit
wiederzuerlangen. „Er meinte aber, seine Brüder sollten‘s verstehen,
daß Gott durch seine Hand ihnen Rettung gebe; aber sie verstan-
den‘s nicht.“
Apostelgeschichte 7,25
. Sie waren noch nicht darauf
vorbereitet, ihre Freiheit wiederzuerlangen. Am folgenden Tage sah
Mose, wie sich zwei Hebräer stritten, und einer von ihnen war of-
fensichtlich im Unrecht. Er tadelte den Schuldigen. Der aber bestritt
ihm sofort das Recht, sich einzumischen. In niedriger Weise klagte
er ihn des Verbrechens an: „Wer hat dich zum Aufseher oder Richter
über uns gesetzt?“ fragte er. „Willst du mich auch umbringen, wie
du den Ägypter umgebracht hast?“
2.Mose 2,14
.
Die ganze Angelegenheit wurde in Ägypten schnell bekannt und
kam, maßlos übertrieben, bald auch Pharao zu Ohren. Man stellte
dem König das Vorgefallene als sehr schwerwiegend dar. Mose habe
die Absicht, sein Volk gegen die Ägypter zu führen, die Regierung
zu stürzen und sich selbst auf den Thron zu setzen. Solange er lebe,
könne es darum für das Königreich keine Sicherheit geben. Sofort
beschloß der Herrscher, daß Mose sterben müsse. Dieser bekam aber
Kenntnis von der Gefahr; er entkam und floh nach Arabien.
Der Herr aber zeigte ihm den Weg, so daß er eine Heimat bei
Jethro fand, dem Priester und Fürsten Midians, der auch ein Anbeter
Gottes war. Später heiratete Mose eine Tochter Jethros und blieb
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vierzig Jahre im Dienst seines Schwiegervaters als Hüter seiner
Herden.
Als Mose den Ägypter erschlug, verfiel er in denselben Fehler,
den die Väter so oft begangen hatten, wenn sie das Werk, das Gott
zu tun verheißen hatte, in die eigene Hand nahmen. Gott wollte sein