Seite 244 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
und Belohnungen und, wenn das nichts half, durch Drohungen und
Grausamkeit zu verleiten.
Die Ältesten Israels bemühten sich, den schwindenden Glauben
ihrer Brüder wachzuhalten. Sie wiederholten ihnen die Verheißun-
gen an die Väter und Josephs prophetische Worte vor seinem Tode,
die ihre Befreiung aus Ägypten voraussagten. Einige hörten und
glaubten es. Andere aber wagten dies angesichts ihrer augenblickli-
chen Lage nicht zu erhoffen. Die Ägypter waren über das, was unter
ihren Sklaven erzählt wurde, gut unterrichtet, aber sie lachten über
deren Erwartungen und leugneten höhnisch die Macht ihres Gottes.
Sie wiesen auf ihre Lage als ein Sklavenvolk hin und spotteten:
„Wenn euer Gott gerecht und barmherzig ist und Macht besitzt über
die ägyptischen Götter, warum macht er euch nicht zu einem freien
Volk?“ In diesem Sinne beriefen sie sich auf die eigene Stellung.
Sie verehrten Gottheiten, die die Israeliten falsche Götter nannten,
und doch wären sie ein reiches, mächtiges Volk. Ihre Götter hätten
sie mit Wohlstand gesegnet und ihnen die Israeliten als Sklaven
preisgegeben. Sie prahlten mit ihrer Macht, die Anbeter Jahwes un-
terdrücken und vernichten zu können; Pharao selbst rühmte sich,
daß der Gott der Hebräer sie nicht aus seiner Hand erretten könne.
Solche Worte machten die Hoffnungen vieler Israeliten zunichte.
Ihre Lage schien in vieler Hinsicht so zu sein, wie es die Ägypter
darstellten. Es stimmte ja, daß sie Sklaven waren und über sich er-
gehen lassen mußten, was immer die grausamen Fronvögte ihnen
zufügten. Ihre Kinder wurden aufgespürt und umgebracht, und ihnen
selbst war das Leben eine Last. Dennoch verehrten sie den Gott des
Himmels. Wenn Jahwe wirklich über allen Göttern stand, würde er
sie ganz gewiß nicht in der Knechtschaft von Götzendienern lassen.
Und die Gott treu blieben, begriffen auch, weshalb er es zugelassen
hatte, daß sie zu Sklaven wurden: weil Israel von ihm abgewichen
war, weil es dazu neigte, in heidnische Völker zu heiraten, und sich
dadurch zum Götzendienst verleiten ließ. Aber voll Zuversicht ver-
sicherten sie ihren Brüdern, daß er das Joch des Bedrückers bald
zerbrechen werde.
Die Hebräer hatten nicht damit gerechnet, daß sie ihre Freiheit
erst nach außergewöhnlichen Glaubensprüfungen durch Leiden oder
gar Not gewinnen würden. Sie waren auch noch gar nicht darauf
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vorbereitet. So glaubten sie nur ungenügend an Gott und wollten