Seite 291 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Die Gesetzgebung
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„Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht
begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch
alles, was dein Nächster hat.“
2.Mose 20,17
. Das zehnte Gebot rührt
unmittelbar an die Wurzel aller Sünden, wenn es selbstsüchtiges
Verlangen verbietet, dem die sündige Tat entspringt. Wer im Gehor-
sam gegen Gottes Gesetz sündige Wünsche nach Dingen bezähmt,
die andern gehören, wird sich durch keine Übeltat am Mitmenschen
schuldig machen.
Dies waren die heiligen Vorschriften der Zehn Gebote, die unter
Blitz und Donner mit wunderbarer Machtentfaltung und Majestät
des großen Gesetzgebers gesprochen wurden. Gott verkündete sein
Gesetz mit Kraft und in Herrlichkeit, damit das Volk das ganze
Geschehen nie vergäße und mit tiefer Ehrfurcht vor dem Urheber
des Gesetzes, dem Schöpfer Himmels und der Erde, erfüllt werde. Er
wollte allen Menschen Heiligkeit, Bedeutung und ewige Gültigkeit
seines Gesetzes kundtun.
Das Volk Israel war vom Schrecken überwältigt. Die ehrfurcht-
gebietende Sprache Gottes erschien ihm fast untragbar. Denn als ihm
Gottes erhabene Rechtsordnung dargelegt wurde, begriff es wie nie
zuvor das widerwärtige Wesen der Sünde und seine eigene Schuld
in den Augen des großen Gottes. Furchtsam und in heiliger Scheu
wichen die Hebräer vom Berge zurück. Die Menge rief nach Mose:
„Rede du mit uns, wir wollen hören; aber laß Gott nicht mit uns
reden, wir könnten sonst sterben.“ Mose antwortete: „Fürchtet euch
nicht, denn Gott ist gekommen, euch zu versuchen, damit ihr‘s vor
Augen habt, wie er zu fürchten sei, und ihr nicht sündigt.“
2.Mo-
se 20,19.20
. Das Volk hielt sich zwar weiterhin fern und sah mit
Schrecken auf das, was vor sich ging, Mose aber „nahte sich dem
Dunkel, darinnen Gott war.“
2.Mose 20,21
.
Das durch Sklaverei und Heidentum abgestumpfte und erniedrig-
te Volk war nicht darauf vorbereitet, die Tragweite der Zehn Gebote
ganz zu erfassen. Damit sie nun die Verpflichtungen des Deka-
logs besser verstünden und auch erfüllten, wurden ihnen zusätzliche
Vorschriften gegeben, die die Grundsätze der Zehn Gebote veran-
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schaulichten und zeitgemäß erklärten. Diese Gesetze nannte man
Rechtsordnungen; einmal weil sie in unendlicher Weisheit und Ge-
rechtigkeit ersonnen waren, zum andern weil die ehrenamtlichen
Richter danach Recht sprechen sollten. Zum Unterschied von den