Seite 300 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
eines Ochsen, der Gras frißt.“
Psalm 106,19.20
. Größere Undankbar-
keit hätten sie ihm nicht zeigen, schmählicher ihn nicht beleidigen
können, der sich ihnen als gütiger Vater und allmächtiger König
offenbart hatte!
Gott ließ Mose auf dem Berge von dem Abfall im Lager wissen
und befahl ihm, unverzüglich zurückzukehren. „Geh, steig hinab“,
lauteten Gottes Worte, „denn dein Volk, das du aus Ägyptenland
geführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem
Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein
gegossenes Kalb gemacht und haben‘s angebetet.“
2.Mose 32,7.8
.
Gott hätte diese Entwicklung gleich zu Anfang verhindern können,
aber er ließ sie den Höhepunkt erreichen, um allen ganz deutlich zu
zeigen, wie er Verrat und Abfall strafte.
Gottes Bund mit seinem Volk war damit ungültig geworden, und
er sagte deshalb zu Mose: „Nun laß mich, daß mein Zorn über sie
entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk ma-
chen.“
2.Mose 32,10
. Israel und besonders die Fremden unter ihnen
neigten immer dazu, sich gegen Gott aufzulehnen. Sie würden auch
gegen Mose murren und ihn durch Unglauben und Halsstarrigkeit
kränken. Es bliebe eine mühselige, zermürbende Aufgabe, sie in das
verheißene Land zu bringen. Sie hatten ja auch mit ihren Sünden
Gottes Gnade bereits verwirkt. Die Gerechtigkeit verlangte ihren
Untergang. Deshalb schlug der Herr vor, sie auszurotten und Mose
zum mächtigen Volk zu machen.
„Laß mich, daß ... [ich] sie vertilge“ (
2.Mose 32,10
), waren
Gottes Worte. Wer konnte für Israel bitten, wenn Gott beschlossen
hatte, sie zu vernichten? Wie wenige hätten etwas anderes getan,
als die Sünder ganz einfach ihrem Schicksal zu überlassen! Wer
hätte nicht lieber mühevolle Arbeit sowie Lasten und Opfer, mit
denen man noch dazu Undankbarkeit und Murren erntete, gegen
eine bequemere, ehrenvolle Stellung eingetauscht, zumal wenn Gott
selbst diese Erleichterung anbot!
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Aber Mose meinte noch, Grund zur Hoffnung zu haben, wo es
nur Enttäuschung und Zorn zu geben schien. Gottes Worte „Laß
mich“ (
2.Mose 32,10
) verstand er nicht als Verbot, sondern als Er-
mutigung zur Vermittlung, die andeuteten, daß nur Moses Fürbitte
Israel retten könne. Wenn er ihn darum bäte, würde Gott sein Volk
schonen. So flehte Mose vor dem Herrn, seinem Gott, und sprach: