Seite 302 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Darum übertrug er ihm als einem treuen Hirten die hohe Aufgabe,
Israel in das verheißene Land zu führen.
Als Mose und Josua mit den „Tafeln des Gesetzes“ (
2.Mose
32,15
) vom Berge herabkamen, hörten sie das Freudengeschrei der
erregten Menge, die offensichtlich ein ausgelassenes Getümmel
veranstaltete. Der erste Gedanke des Kriegsmannes Josua war, daß
es sich um einen Angriff von Feinden handeln müsse. „Es ist ein
Kriegsgeschrei im Lager“ (
2.Mose 32,17
), sagte er. Aber Mose
beurteilte den Tumult treffender. Diese Geräusche kamen nicht vom
Kampf, sondern von lärmender Lustbarkeit. „Es ist kein Geschrei
wie bei einem Sieg, und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage,
ich höre Geschrei wie beim Tanz.“
2.Mose 32,18
.
Als sie sich dem Lager näherten, sahen sie das Volk jauchzend
um das Götzenbild tanzen. Es war ein Anblick wie bei heidnischen
Schwelgereien, eine Nachahmung der Götterfeste in Ägypten. Wie
so ganz anders war dagegen die feierliche, ehrerbietige Anbetung
Gottes! Mose war erschüttert. Er kam ja gerade aus der Gegenwart
der Herrlichkeit Gottes. Zwar war er vor dem, was sich hier zutrug,
gewarnt worden, auf eine solche furchtbare Zurschaustellung der
Verderbtheit Israels war er jedoch nicht vorbereitet. Heftiger Zorn
packte ihn. Um seinen Abscheu vor ihrem Frevel deutlich zu machen,
schleuderte er die Steintafeln zu Boden, daß sie vor den Augen des
ganzen Volkes zerbrachen. Damit machte er allen klar: So wie sie
ihren Bund mit Gott gebrochen hatten, hatte nun auch Gott seinen
Bund mit ihnen zerbrochen.
Mose betrat das Lager. Er ging durch das dichte Gedränge der
Ausgelassenen, ergriff das Götzenbild und warf es ins Feuer. Später
zerrieb er es zu Staub, schüttete ihn in den Bach, der vom Berge
herabkam, und ließ das Volk daraus trinken. So zeigte er ihnen die
völlige Wertlosigkeit des Götzen, den sie angebetet hatten.
Nun lud der große Volksführer seinen schuldig gewordenen Bru-
der vor und fragte streng: „Was hat dir das Volk getan, daß du eine
so große Sünde über sie gebracht hast?“
2.Mose 32,21
. Aaron suchte
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sich zu verteidigen, indem er sich auf die lauten Klagen des Volkes
berief. Wenn er dessen Wünschen nicht nachgegeben hätte, würde es
ihn getötet haben. „Mein Herr lasse seinen Zorn nicht entbrennen“,
sagte er, „du weißt, daß dies Volk böse ist. Sie sprachen zu mir:
Mache uns einen Gott, der vor uns hergehe; denn wir wissen nicht,