Seite 304 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Als Mose nach der Rückkehr den Empörern gegenüberstand,
verglich das Volk seine heftige Art zu tadeln und seinen Unwillen,
in dem er die heiligen Gesetzestafeln zerbrach, mit der angeneh-
men Ausdrucksweise und würdevollen Haltung seines Bruders. Da
galt ihre Zuneigung Aaron. Obwohl dieser zu seiner Rechtfertigung
das Volk dafür verantwortlich zu machen suchte, daß er in seiner
Schwäche dessen Forderungen nachgegeben hatte, bewunderte es
seine Milde und Geduld. Aber Gott sieht nicht mit den Augen der
Menschen. Durch seine Nachgiebigkeit und den Wunsch, gefällig
zu sein, war Aaron für das Frevelhafte seiner Schuld, die er gut-
hieß, wie mit Blindheit geschlagen. Daß er durch seinen Einfluß die
Sünde Israels begünstigte, kostete Tausenden das Leben. Welcher
Gegensatz zu Mose, der gewissenhaft Gottes Gerichte vollstreckte
und damit bewies, daß ihm Israels Wohlergehen mehr wert war als
das eigene Ansehen oder Leben.
Von allen Sünden, die Gott strafen wird, wiegt in seinen Augen
keine so schwer wie die, andere im Bösen zu bestärken. Gott möchte,
daß seine Diener ihre Treue dadurch beweisen, daß sie Fehler ge-
wissenhaft tadeln, so schmerzlich das auch sein mag. Wer von Gott
eines besonderen Auftrags gewürdigt wird, darf nicht nachgiebig
und liebedienerisch sein, nicht nach Selbsterhöhung streben oder
unangenehmen Pflichten ausweichen. Er muß vielmehr Gottes Werk
mit unwandelbarer Treue ausführen.
Obwohl Gott Moses Bitte, Israel vor der Vernichtung zu bewah-
ren, erhörte, mußte dessen Abfall doch spürbar bestraft werden. Die
Gesetzlosigkeit und Unbotmäßigkeit, in die Aaron das Volk geraten
ließ, würden sogleich in Gottlosigkeit ausarten, und es konnte einen
nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden, wenn man sie nicht
schnell unterdrückte. Das Böse mußte mit unnachgiebiger Härte
ausgetrieben werden. Im Tor des Lagers stehend, rief Mose dem
Volke zu: „Her zu mir, wer dem Herrn angehört!“
2.Mose 32,26
. Wer
nicht an der Abgötterei beteiligt war, mußte sich zu seiner Rechten
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aufstellen, wer schuldig war, aber bereute, zur Linken. Dieser Befehl
wurde befolgt. Dabei stellte sich heraus, daß der Stamm Levi nicht
am Götzendienst teilgenommen hatte. Aus den anderen Stämmen
hatten viele gesündigt, aber sie gaben jetzt ihre Reue zu erkennen.
Ein großer Teil dagegen, zumeist aus dem „fremden Volk“ (
2.Mo-
se 12,38
), der zur Herstellung des Kalbes angestiftet hatte, blieb