Seite 306 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
sie nicht noch andere mit ins Verderben reißen. Als Gott Kain ver-
schonte, zeigte er dem Weltall, welche Folge es hätte, wenn Sünde
ungestraft bliebe. Der Einfluß, den Kain in Wort und Tat auf seine
Nachkommen ausübte, führte schließlich zu der Verderbnis, welche
die Vernichtung der ganzen Welt durch eine Flut erforderte. Die
Geschichte der vorsintflutlichen Menschen beweist, daß lange Le-
benszeiten für den Sünder kein Segen sind; denn trotz Gottes großer
Langmut ließen sie nicht von ihrer Bosheit. Je länger jene Menschen
lebten, desto lasterhafter wurden sie.
Ebenso war es mit dem Abfall am Sinai. Wäre hier die Stra-
fe nicht auf dem Fuße gefolgt, hätte man das gleiche erlebt. Die
Erdbewohner wären wieder so abgrundschlecht geworden wie zu
Noahs Zeit. Hätte Gott diese Übertreter verschont, wären schlimme-
re Übeltaten gefolgt als nach Kains Zeit. Es war Gottes Gnade, wenn
Tausende büßten, damit nicht Millionen dem Gericht verfielen. Um
also viele Menschen zu bewahren, mußte er einige bestrafen. Außer-
dem verwirkte das Volk, als es Gott die Gefolgschaft aufsagte, auch
seinen Schutz. Damit beraubte es sich seiner Verteidigung, und so
wäre das Volk der Gewalt der Feinde preisgegeben gewesen. Wäre
das Übel nicht sofort beseitigt worden, wären die Hebräer bald ihren
zahlreichen und mächtigen Gegnern zum Opfer gefallen. Um Israels
willen war also die unmittelbare Ahndung des Vergehens notwendig.
Zugleich war es eine Lehre für alle kommenden Geschlechter. Und
es bedeutete nicht minder Gnade für die Sünder selbst, daß ihrem bö-
sen Wandel ein Ende gesetzt wurde. Derselbe aufrührerische Geist,
der sie zur Auflehnung gegen Gott nötigte, hätte sich andernfalls
auch in Haß und Streit unter ihnen selbst geäußert, so daß sie sich
schließlich gegenseitig vernichtet haben würden. So war es Gottes
Liebe zur Welt, zu Israel, ja sogar zu den Übertretern, wenn er den
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Frevel schnell und mit aller Strenge bestrafte.
Als dem Volk die Größe seiner Schuld zum Bewußtsein kam,
bemächtigte sich des ganzen Lagers Entsetzen. Sie fürchteten, daß
nun alle Schuldigen umgebracht würden. Mose hatte Mitleid mit
ihrer Not und versprach, Gott noch einmal für sie anzuflehen.
„Ihr habt eine große Sünde getan“, sagte er, „nun will ich hin-
aufsteigen zu dem Herrn, ob ich vielleicht Vergebung erwirken kann
für eure Sünde.“ Er ging und bekannte vor Gott: „Ach, das Volk hat
eine große Sünde getan, und sie haben sich einen Gott von Gold