Seite 404 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
menschliche Schwächen und heftige Gemütsausbrüche eigen waren.
Müde geworden durch das dauernde Murren und die Widerspenstig-
keit des Volkes, verlor Mose den allmächtigen Helfer aus den Augen.
Weil er hier einmal ohne göttliche Kraft handelte, wurde seine Le-
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bensgeschichte durch menschliche Schwachheit getrübt. Den Mann,
der am Ende seines Lebenswerkes lauter, treu und selbstlos hätte
dastehen können, hatte es zuletzt doch überwältigt. Dadurch wurde
Gott vor der ganzen Gemeinde entehrt, als er verherrlicht werden
sollte.
Bei dieser Gelegenheit sprach Gott kein Urteil über jene aus,
die Mose und Aaron durch ihr böses Verhalten so gereizt hatten.
Der ganze Vorwurf traf allein die beiden Führer des Volkes, die
hier stellvertretend für Gott standen und ihm nicht die notwendige
Ehrfurcht gezollt hatten. Sie waren gekränkt und verloren darüber
die Tatsache aus den Augen, daß das Volk nicht gegen sie, sondern
gegen Gott murrte. Weil sie nur sich zur Geltung bringen wollten
und sich auf ihr Mitgefühl beriefen, fielen sie in Sünde, ohne sich
dessen bewußt zu sein, und unterließen es, dem Volk seine große
Schuld an Gott klarzumachen.
Das Urteil, das Gott augenblicklich fällte, war bitter und tief de-
mütigend. „Der Herr aber sprach zu Mose und Aaron: Weil ihr nicht
an mich geglaubt habt und mich nicht geheiligt habt vor den Kindern
Israel, darum sollt ihr diese Gemeinde nicht ins Land bringen, das
ich ihnen geben werde.“
4.Mose 20,12
. Mit dem widerspenstigen
Israel mußten sie vor dem Überschreiten des Jordans sterben. Hätten
Mose und Aaron sonst viel von sich gehalten oder sich angesichts
der Warnung und des Tadels Gottes zornige Gefühle erlaubt, wäre
ihre Schuld noch viel größer gewesen. Aber man konnte ihnen keine
absichtliche Sünde zur Last legen. Ganz plötzlich hatte die Versu-
chung sie überwältigt, und sie bereuten es sogleich von ganzem
Herzen. Der Herr nahm ihre Reue an, aber weil ihre Sünde Schaden
unter dem Volk anrichten konnte, durfte er ihnen die Strafe nicht
erlassen.
Mose verheimlichte das über ihn gefällte Urteil nicht. Er berich-
tete dem Volk, daß er es nicht ins verheißene Land führen könne,
weil er Gott nicht die Ehre gegeben habe. Ferner mahnte er sie, sich
seine strenge Bestrafung zu merken und zu bedenken, wie genau
Gott auf ihr Murren geachtet haben mußte, wenn einem Mann allein