Seite 434 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Sitten und Gewohnheiten nicht vertraut. Dennoch erfüllte sich diese
Weissagung auffallend in Israels späterer Geschichte. In den vielen
Jahren ihrer Gefangenschaft, durch alle Jahrhunderte hindurch, in
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denen sie zerstreut unter den Völkern lebten, sind sie ein besonderes
Volk geblieben. So sind die Kinder Gottes — das wahre Israel —,
obwohl zerstreut unter allen Völkern, auf Erden nur Wanderer, deren
Bürgerrecht im Himmel ist.
Bileam schaute aber nicht nur die Geschichte der Hebräer als
Nation, sondern darüber hinaus auch Wachstum und Wohlergehen
des wahren Israels Gottes bis ans Ende der Zeit. Er sah, wie die
besondere Gnade des Allerhöchsten mit denen ist, die ihn lieben
und fürchten; wie sein Arm sie trägt, wenn sie ins dunkle Tal der
Todesschatten treten. Er sah sie aus ihren Gräbern hervorkommen,
gekrönt mit Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit, und er schaute
die Erlösten sich der unverwelklichen Pracht der neuen Erde erfreu-
en. Im Anblick dieses Geschehens rief er aus: „Wer kann zählen den
Staub Jakobs, auch nur den vierten Teil Israels?“
4.Mose 23,10
. Als
er die Ehrenkronen auf ihren Stirnen und die Freude sah, die aus
allen Gesichtern leuchtete, und für die Zukunft jenes ewige, endlose
Leben lauteren Glücks wahrnahm, betete er ernst: „Meine Seele
möge sterben den Tod der Gerechten, und mein Ende werde wie ihr
Ende!“
4.Mose 23,10
.
Wäre Bileam imstande gewesen, die ihm von Gott geschenkte
Erkenntnis anzunehmen, hätte er jetzt seine Worte wahr gemacht und
sofort alle Verbindung mit Moab abgebrochen. Er hätte Gottes Gna-
de nicht länger herausgefordert, sondern wäre in tiefer Reue zu ihm
zurückgekehrt. Aber Bileam liebte den Lohn der Ungerechtigkeit
und war entschlossen, sich seiner zu bemächtigen.
Voller Zuversicht hatte auch Balak einen Fluch über die Israe-
liten erwartet, der wie ein vernichtender Gifthauch auf sie fallen
würde. Darum rief er bei den Worten des Propheten heftig aus: „Was
tust du mir an? Ich habe dich holen lassen, um meinen Feinden
zu fluchen, und siehe, du segnest.“
4.Mose 23,11
. Bileam suchte
schließlich aus der Not eine Tugend zu machen. Er gab vor, nach
Gottes Willen gewissenhaft die Worte gesprochen zu haben, die ihm
durch göttlichen Einfluß aufgenötigt worden seien: „Muß ich nicht
das halten und reden, was mir der Herr in den Mund gibt?“
4.Mose
23,12
.