Seite 477 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Der Fall Jerichos
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gehörigen nach dem Versprechen der Kundschafter verschont. Die
Stadt selbst wurde verbrannt; ihre Paläste und Tempel, die großarti-
gen Wohnhäuser mit allen verschwenderisch ausgestatteten Einrich-
tungen, die kostbaren Vorhänge und Gewänder wurden den Flammen
ausgesetzt. Was jedoch nicht durch das Feuer zu vernichten war,
„alles Silber und Gold samt den kupfernen und eisernen Geräten“
(
Josua 6,19
) wurde für den Dienst an der Stiftshütte bestimmt. Grund
und Boden der Stadt wurden verflucht; Jericho sollte nie wieder als
Festung aufgebaut werden. Jedem, der es wagen würde, die Mauern
wiederherzustellen, die Gottes Macht niedergeworfen hatte, drohten
Strafgerichte. In Gegenwart des ganzen Volkes gab Josua die fei-
erliche Erklärung ab: „Verflucht vor dem Herrn sei der Mann, der
sich aufmacht und diese Stadt Jericho wieder aufbaut! Wenn er ihren
Grund legt, das koste ihn seinen erstgeborenen Sohn, und wenn er
ihre Tore setzt, das koste ihn seinen jüngsten Sohn!“
Josua 6,26
.
Die vollständige Vernichtung der Einwohner Jerichos war nur
der Vollzug eines früheren Befehles durch Mose über Kanaans Be-
völkerung: Du sollst „an ihnen den Bann vollstrecken“.
5.Mose 7,2
.
— „In den Städten dieser Völker ... sollst du nichts leben lassen,
was Odem hat.“
5.Mose 20,16
. Vielen scheinen diese Gebote in
Widerspruch zu dem Geist der Liebe und Barmherzigkeit zu stehen,
die an anderen Stellen der Bibel zur Pflicht gemacht werden. In
Wirklichkeit wurden diese Vorschriften von unendlicher Weisheit
und Güte bestimmt. Gott beabsichtigte, die Israeliten in Kanaan
anzusiedeln, damit sie dort ein Volk und eine Regierung als Offen-
barung seines Reiches auf Erden verkörperten. Sie sollten nicht nur
Erben des wahren Glaubens sein, sondern auch seine Grundsätze in
der ganzen Welt verbreiten. Die Kanaaniter dagegen hatten sich dem
widerwärtigsten, niedrigsten Heidentum ergeben; das Land muß-
te von allem gereinigt werden, was Gottes gnadenvolle Absichten
gewiß verhindert hätte.
Kanaans Einwohner hatten weitgehend Gelegenheit zur Umkehr
gehabt. Vierzig Jahre zuvor bewiesen der Durchgang durchs Rote
Meer und die Strafgerichte an Ägypten die Macht des Gottes Israels.
Und jüngst zeigte auch der Untergang der Könige von Midian, Gi-
lead und Basan, daß Jahwe über allen Göttern stand. Die Heiligkeit
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seines Wesens und seine Abscheu vor Unkeuschheit sprachen aus
den Gerichten, mit denen er Israels Teilnahme an den abscheulichen