Seite 479 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Der Fall Jerichos
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Bald nach dem Fall Jerichos beschloß Josua, Ai anzugreifen,
eine kleine Stadt in den Bergschluchten, die sich wenige Kilometer
westlich des Jordantals erstrecken. Dorthin entsandte Kundschafter
brachten die Nachricht, sie habe nur wenige Einwohner, deshalb
genüge zu ihrer Eroberung eine kleine Streitmacht.
Der große Sieg, den Gott für sie gewonnen hatte, hob das Selbst-
vertrauen der Israeliten. Er hatte ihnen Kanaan verheißen, also fühl-
ten sie sich sicher und vergaßen darüber immer wieder, daß allein
Gottes Hilfe ihnen Erfolg schenken konnte. Selbst Josua legte seine
Pläne zur Eroberung von Ai, ohne Gott um Rat zu fragen.
Die Israeliten begannen sich ihrer Stärke zu rühmen und ver-
ächtlich auf die Feinde zu sehen. Man rechnete mit einem leichten
Sieg und hielt dreitausend Mann für ausreichend, die Stadt einzu-
nehmen. Ohne sich der Hilfe Gottes zu versichern, stürmten sie zum
Angriff. Doch schon am Stadttor stießen sie auf entschlossenen Wi-
derstand. Über die Anzahl und die gute Vorbereitung ihrer Feinde
in Schrecken versetzt, flohen sie verwirrt den steilen Abhang hinab,
ungestüm verfolgt von den Kanaanitern. „Sie hatten sie nämlich von
dem Tor ... gejagt und am Abhang erschlagen.“
Josua 7,5
. Wenn der
zahlenmäßige Verlust auch gering war — nur sechsunddreißig Mann
wurden getötet —, war die Niederlage entmutigend für die ganze
Gemeinde. „Da verzagte das Herz des Volks und ward zu Wasser.“
Josua 7,5
. Erstmals waren sie im offenen Kampf auf die Kanaani-
ter gestoßen. Wenn die Verteidiger dieser kleinen Stadt sie schon
in die Flucht schlugen, was sollte dann in den größeren Kämpfen
werden, die ihnen noch bevorstanden? Josua sah in ihrem Mißerfolg
den Ausdruck göttlichen Unwillens, und voll Schmerz und Furcht
„zerriß er seine Kleider und fiel auf sein Angesicht zur Erde vor der
Lade des Herrn bis zum Abend samt den Ältesten Israels, und sie
warfen Staub auf ihr Haupt“.
Josua 7,6
.
„Ach, Herr Herr“, rief er, „warum hast du dies Volk über den
Jordan geführt und gibst uns in die Hände der Amoriter, um uns
umzubringen ...? Ach, Herr, was soll ich sagen, nachdem Israel
seinen Feinden den Rücken gekehrt hat? Wenn das die Kanaaniter
und alle Bewohner des Landes hören, so werden sie uns umringen
und unsern Namen ausrotten von der Erde. Was willst du dann für
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deinen großen Namen tun?“