Seite 504 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
das Gericht, mit dem Israel heimgesucht worden war, als es Götzen-
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dienst mit Baal-Peor getrieben hatte. Wenn sie nicht ohne Opferaltar
auskommen könnten, so setzte Pinhas den Nachkommen von Gad
und Ruben auseinander, sollten sie um Israels willen kommen und
an den Besitztümern und Vorrechten ihrer Brüder auf der andern
Jordanseite teilhaben.
Aber die Beschuldigten erklärten, daß ihr Altar nicht als Opfer-
stätte gedacht sei, sondern einfach als Zeuge dafür, daß sie, wenn
auch durch den Fluß voneinander getrennt, doch denselben Glauben
hätten wie ihre Brüder in Kanaan. Sie befürchteten, ihre Kinder
könnten in Zukunft vom Heiligtum ausgeschlossen werden, da sie
keinen Anteil in Israel hätten. Dann sollte dieser Altar, nach dem
Vorbilde in Silo errichtet, Zeugnis davon ablegen, daß seine Erbauer
ebenfalls Anbeter des lebendigen Gottes waren. Diese Erklärung
nahmen die Gesandten mit großer Befriedigung auf und überbrach-
ten sie sofort ihren Auftraggebern. Jeder Gedanke an einen Krieg
war damit erledigt; das Volk, geeint durch die Freude darüber, lobte
Gott.
Die Kinder Gad und Ruben setzten nun eine Inschrift auf den
Altar, die den Zweck seiner Errichtung deutlich machte: „Zeuge
ist er zwischen uns, daß der Herr Gott ist.“
Josua 22,34
. Auf diese
Weise bemühten sie sich, künftigen Mißverständnissen vorzubeugen
und jeden Anlaß zur Versuchung zu vermeiden.
Wie oft entstehen doch aus einfachen Mißverständnissen ern-
ste Schwierigkeiten sogar bei denen, die sich von durchaus schät-
zenswerten Beweggründen leiten lassen! Und welche unheilvollen
Folgen können sie haben, wenn man es an der nötigen Höflichkeit
fehlen läßt und keine Geduld hat. Die zehn Stämme dachten daran,
wie Gott im Falle Achans ihre fehlende Wachsamkeit bei der Auf-
deckung von Sünden getadelt hatte. Diesmal beschlossen sie, rasch
durchzugreifen. Aber indem sie den damaligen Fehler zu vermeiden
suchten, verfielen sie ins andere Extrem. Anstatt sich in freundlicher
Weise erst zu erkundigen, tadelten und verurteilten sie ihre Brüder.
Hätten Gads und Rubens Männer in derselben Art erwidert, wäre es
zum Krieg gekommen. Es ist einerseits schon wichtig, daß man der
Sünde gegenüber nicht gleichgültig ist; andererseits ist es wesentlich,
harte Urteile und grundlose Verdächtigungen zu vermeiden.
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