Seite 541 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Die älteren Richter
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Aber Gideon ließ sich zu einem anderen Irrtum verleiten, der
über seine Familie und ganz Israel Unheil brachte. Untätigkeit, die
auf schwere Kampfzeiten folgt, ist oft gefährlicher als der Krieg
selbst.
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Dieser Gefahr war Gideon jetzt ausgesetzt. Ihn packte die Unruhe.
Bisher war er damit zufrieden, Gottes Befehle auszuführen. Aber nun
fing er an, selbst Pläne zu legen, statt auf die göttlichen Weisungen zu
warten. Haben die Heere des Herrn einen besonderen Sieg errungen,
verdoppelt auch Satan seine Anstrengungen, Gottes Werk zugrunde
zu richten. So flüsterte er Gideon Gedanken und Pläne ein, die Israel
irreführten.
Weil ihm befohlen worden war, auf dem Felsen, wo ihm der
Engel erschien, zu opfern, schlußfolgerte er, daß er zum Priesteramt
berufen sei. Ohne auf die göttliche Bestätigung zu warten, ließ
er einen geeigneten Platz vorbereiten, um ein gottesdienstliches
System einzurichten, das dem der Stiftshütte glich. Getragen von der
Gunst des Volkes, sah er keine Schwierigkeit für diesen Plan. Auf
seine Bitte händigte man ihm alle goldenen Ohrringe der Midianiter
als seinen Beuteanteil aus. Das Volk sammelte ferner viele andere
wertvolle Dinge, darunter auch die reich verzierten Gewänder der
Midianiterfürsten. Von dem angelieferten Material machte Gideon
ein Ephod und ein Brustschild, also eine Nachbildung dessen, was
der Hohepriester trug. All das wurde ihm selbst, seiner Familie und
dem Volk Israel zum Fallstrick. Dieser unberechtigte Gottesdienst
verführte viele dazu, den Herrn gänzlich zu verlassen und Götzen zu
dienen. Nach Gideons Tod schloß sich eine große Anzahl, darunter
auch seine eigene Familie, diesem Abfall an. Derselbe Mann, der
einst die Abgötterei besiegte, brachte das Volk wieder von Gott ab.
Nur wenige machen sich den weitreichenden Einfluß ihrer Worte
und Taten klar. Wie oft haben Irrtümer der Eltern bei Kindern und
Enkeln noch die traurigsten Folgen, wenn sie selbst längst im Grabe
ruhen. Jeder übt irgendwie einen Einfluß auf andere aus und ist für
die Folgen verantwortlich. Worte und Taten sind von durchdringen-
der Macht, und ihre nachhaltige Wirkung zeigt sich noch lange im
Leben. Der Eindruck, den wir gemacht haben, fällt auf uns als Segen
oder Fluch zurück. Dieser Gedanke verleiht dem Leben großen Ernst
und sollte uns zu demütigem Gebet veranlassen, daß Gott uns mit
seiner Weisheit lenken möge.