Seite 59 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Kain und Abel
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Als Kain sah, daß sein Opfer verworfen war, wurde er zornig
auf den Herrn und auf Abel. Er zürnte Gott, weil dieser nicht an-
nahm, was er als Mensch anstelle des göttlich verordneten Opfers
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anbot, und er zürnte seinem Bruder, weil dieser Gott gehorchte, statt
aufsässig mit Kain zusammenzuhalten. Obwohl Kain das göttliche
Gebot mißachtete, überließ ihn der Herr nicht sich selbst. Vielmehr
neigte er sich herab, um den so törichten Mann zu überzeugen. Der
Herr sprach zu Kain: „Warum ergrimmst du? Und warum senkst du
deinen Blick ...? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick
erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür.“
1.Mose 4,6.7
. Die Entscheidung lag bei Kain. Glaubte er an die
Verdienste des verheißenen Erlösers und gehorchte er Gottes Forde-
rungen, würde er Gnade erfahren. Beharrte er dennoch in Unglauben
und Übertretung, hätte er kein Recht zur Klage, wenn er vom Herrn
verworfen würde.
Aber anstatt seine Sünde einzusehen, hörte Kain nicht auf, sich
über Gottes Ungerechtigkeit zu beklagen und in seinem Herzen
Eifersucht und Haß gegen Abel zu nähren. Voller Zorn überhäufte
er ihn mit Vorwürfen und versuchte, mit ihm Streit über Gottes
Handlungsweise an ihnen anzufangen. Ruhig, aber furchtlos und
bestimmt verteidigte Abel Gottes Gerechtigkeit und Güte. Er machte
Kain auf seinen Irrtum aufmerksam und versuchte ihn von seinem
Unrecht zu überzeugen. Dazu wies er ihn auf die Barmherzigkeit
Gottes hin, der das Leben ihrer Eltern schonte, als er sie auf der
Stelle mit dem Tode hätte bestrafen können. Er legte ihm nahe, daß
Gott sie liebte, sonst wäre er nicht bereit, seinen unschuldigen Sohn
dahinzugeben, damit er die Strafe litte, die sie verdient hatten. Doch
das alles machte Kain nur noch grimmiger. Vernunft und Gewissen
sagten ihm wohl, daß Abel recht hatte. Aber es erregte ihn, daß
Abel, der sonst auf seinen Rat hörte, es nun wagte, anderer Meinung
zu sein, und er mit seiner Auflehnung keine Zustimmung fand. In
rasender Wut erschlug er seinen Bruder.
Kain haßte und tötete Abel nicht, weil dieser ihm etwas zuleide
getan hätte, sondern „weil seine Werke böse waren, und die seines
Bruders gerecht“.
1.Johannes 3,12
. So haben die Gottlosen zu allen
Zeiten diejenigen gehaßt, die besser waren als sie. Abels Gehorsam
und sein standhafter Glaube waren für Kain ein ständiger Vorwurf.
„Wer Arges tut, der hasset das Licht und kommt nicht zu dem Licht,