Seite 599 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Israels erster König
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Während das Volk allgemein bereit war, Saul als König anzu-
erkennen, bildete sich aber auch eine starke Oppositionspartei. Ein
König aus Benjamin, dem kleinsten Stamme Israels, bei Übergehung
Judas und Ephraims, der größten und stärksten Stämme, das war
eine Zurücksetzung, die sie nicht ertragen konnten. Sie lehnten es
ab, Saul zu huldigen oder ihm die üblichen Geschenke zu bringen.
Die vorher am heftigsten auf einen König gedrängt hatten, weigerten
sich nun, den Mann der Wahl Gottes dankbar anzuerkennen. Jede
Partei hatte eben ihren Günstling, den sie auf dem Throne sehen
wollte, und gar mancher aus der Führerschaft erstrebte diese Ehre
für sich selbst. In vielen entbrannten Neid und Eifersucht. Stolz und
Ehrgeiz führten zu Enttäuschung und Unzufriedenheit.
Unter diesen Umständen sah sich Saul nicht in der Lage, die
Königswürde anzunehmen. Er überließ Samuel die Regierung wie
bisher und kehrte nach Gibea zurück. Eine Schar, die in seiner Er-
wählung Gottes Hand sah und entschlossen war, ihn zu unterstüt-
zen, gab ihm das Ehrengeleit. Aber er machte nicht den geringsten
Versuch, sein Recht auf den Thron mit Gewalt durchzusetzen. Ru-
hig ging er daheim auf dem Hochland des Stammes Benjamin den
Pflichten eines Landwirts nach und überließ die Übertragung der
Amtsgewalt völlig Gott.
Bald nach Sauls Berufung fielen die Ammoniter unter ihrem
König Nahasch in das Gebiet der Stämme östlich vom Jordan ein
und bedrohten die Stadt Jabesch in Gilead. Die Bewohner versuchten
den Frieden zu erlangen, indem sie den Ammonitern anboten, ihnen
zinspflichtig zu werden. Aber der grausame König wollte nur unter
der Bedingung darauf eingehen, daß er ihnen allen das rechte Auge
ausstechen ließ, damit sie ein dauerndes Zeichen seiner Macht an
sich trügen.
Die Einwohner der belagerten Stadt baten um eine Frist von
sieben Tagen. In der Meinung, den erwarteten Triumph noch zu
vergrößern, stimmten die Ammoniter zu. Aber inzwischen gingen
Boten aus Jabesch zu den Stämmen westlich des Jordans und baten
um Hilfe. Sie konnten auch Gibea benachrichtigen und erregten
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weit und breit Schrecken. Als Saul abends „vom Felde hinter den
Rindern her“ kam, hörte er lautes Wehklagen, das von einem großen
Unglück kündete. Er fragte: „Was ist mit dem Volk, daß es weint?“
Als man ihm die schmachvolle Geschichte wiederholte, erwachten