Seite 618 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
mir die Sünde und kehre mit mir um, daß ich den Herrn anbete.“
[615]
1.Samuel 15,25
. Wäre Sauls Reue echt gewesen, hätte er jetzt ein
öffentliches Schuldbekenntnis abgelegt; aber seine größte Sorge war,
sein Ansehen zu wahren und sich die Treue des Volkes zu erhalten.
Er wollte die Anwesenheit des ehrwürdigen Samuel dazu benutzen,
den eigenen Einfluß im Volke zu stärken.
„Ich will nicht mit dir umkehren“, antwortete Samuel ihm, „denn
du hast des Herrn Wort verworfen, und der Herr hat dich auch ver-
worfen, daß du nicht mehr König über Israel seist.“ Als sich Samuel
zum Gehen wandte, ergriff ihn der König in namenloser Angst „bei
einem Zipfel seines Rocks; aber der riß ab“. Darauf erklärte ihm
der Prophet: „Der Herr hat das Königtum Israels heute von dir ge-
rissen und einem andern gegeben, der besser ist als du.“
1.Samuel
15,26-28
.
Saul beunruhigte die Entfremdung von Samuel viel stärker als
Gottes Mißfallen. Er wußte, das Volk hatte weit mehr Vertrauen
zu dem Propheten als zu ihm. Sollte nun auf Gottes Befehl ein
anderer zum König gesalbt werden, wäre es ihm unmöglich, die
eigene Autorität aufrechtzuerhalten. Er befürchtete sogar Aufruhr,
wenn Samuel ihn gänzlich fallen ließ. Deshalb bat er den Propheten
dringend, sein Ansehen vor den Ältesten und dem Volk zu heben,
indem sie gemeinsam einen öffentlichen Gottesdienst abhielten. Auf
göttliche Weisung gab Samuel der Bitte des Königs nach, damit es
keinen Anlaß zu einem Aufstand gäbe. Aber er blieb nur stummer
Zeuge.
Noch galt es — so hart und schrecklich das war — ein Urteil zu
vollstrecken. Samuel mußte Gottes Ehre öffentlich verteidigen und
Sauls Handlungsweise rügen. Er befahl, den König der Amalekiter
herbeizubringen. Von allen, die durch das Schwert Israels fielen,
war Agag der Schlimmste und Unbarmherzigste, einer, der das Volk
Gottes haßte und es zu vernichten suchte und der dem Götzendienst
am meisten Vorschub leistete. Auf des Propheten Befehl kam er und
dachte, die Todesgefahr sei vorüber. Aber Samuel sagte: „Wie dein
Schwert Frauen ihrer Kinder beraubt hat, so soll auch deine Mutter
der Kinder beraubt sein unter den Frauen. Und Samuel hieb den
Agag in Stücke vor dem Herrn in Gilgal.“
1.Samuel 15,33
. Darauf
kehrte er nach Rama zurück, und Saul ging nach Gibea. Prophet und
König begegneten sich später nur noch einmal.