Seite 619 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Sauls Verwerfung
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Als Saul auf den Thron berufen wurde, hatte er eine bescheidene
Meinung von sich und seinen Fähigkeiten und war bereit, Lehre
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anzunehmen. Es fehlte ihm ja an Kenntnissen und Erfahrung, außer-
dem wies er bedenkliche Charakterfehler auf. Aber der Heilige Geist
wurde ihm zum Führer und Helfer, so daß er in seinem Herrscheramt
die dafür notwendigen Eigenschaften entwickeln konnte. Hätte er
sich dabei jederzeit von der göttlichen Weisheit leiten lassen, hätte
er auch den Pflichten seiner hohen Stellung ehrenhaft und erfolg-
reich nachkommen können. Unter diesem Einfluß überwogen alle
guten Eigenschaften in ihm, während die schlechten Neigungen an
Einfluß verloren. Das ist Gottes Absicht mit allen, die sich seinem
Dienste weihen. Er hat viele zu Ämtern in seinem Werk berufen,
weil sie demütig und lernbereit waren. Und in seiner Vorsorge stellt
er sie dahin, wo sie Erfahrungen sammeln können. Er läßt sie ihre
charakterlichen Schwächen erkennen und hilft allen, die ihn suchen,
ihre Mängel abzustellen.
Aber Saul wurde anmaßend in seinem hohen Stand und machte
dabei Gott durch Unglauben und Ungehorsam Schande. Wohl war
er bei seiner Thronbesteigung bescheiden und ohne jedes Selbstver-
trauen, aber der Erfolg machte ihn bald recht selbstsicher. Schon der
erste Sieg entfachte diesen nicht ungefährlichen Stolz in ihm. Sein
Mut und die bei der Befreiung von Jabesch in Gilead bewiesene
Führungsgabe versetzten das ganze Volk in Begeisterung. Sie jubel-
ten ihrem König zu und vergaßen darüber, daß er nur Werkzeug in
Gottes Hand war. Und obwohl Saul anfangs Gott die Ehre gab, bean-
spruchte er später den Ruhm für sich. Er verlor seine Abhängigkeit
von ihm ganz aus dem Auge und entfernte sich auch innerlich immer
mehr vom Herrn. So war der Weg für das anmaßende und frevelhaf-
te Geschehen bei Gilgal bereitet. Dasselbe blinde Selbstvertrauen
ließ ihn Samuels Vorwurf zurückweisen. Saul erkannte in Samuel
einen von Gott gesandten Propheten. Deshalb hätte er den Verweis
annehmen müssen, selbst wenn er seine Verfehlungen noch nicht
einsah. Wäre er dazu und zum Bekenntnis bereit gewesen, hätte ihm
diese bittere Erfahrung in der Zukunft helfen können.
Aber der Herr zog sich damals nicht ganz von Saul zurück, sonst
würde er nicht abermals durch seinen Propheten zu ihm gesprochen
und ihn mit einer bestimmten Aufgabe betraut haben. Er gab ihm
die Möglichkeit, die Fehler der Vergangenheit wiedergutzumachen.