Seite 650 - Patriarchen und Propheten (1999)

Basic HTML-Version

646
Patriarchen und Propheten
Ohne ihrem Mann etwas zu sagen oder mit ihm über ihre Absicht
zu sprechen, machte Abigail einen reichlichen Vorrat an Lebensmit-
teln zurecht und schickte ihn, auf Eseln verladen, unter der Obhut
von Knechten voraus. Dann machte sie sich selbst auf, um Davids
Schar zu begegnen. Sie fand sie im Schutz eines Hügels. „Als nun
Abigail David sah, stieg sie eilends vom Esel und fiel vor David
nieder und beugte sich zur Erde und fiel ihm zu Füßen und sprach:
Ach, mein Herr, auf mich allein falle die Schuld! Laß deine Magd
reden vor deinen Ohren und höre die Worte deiner Magd!“
1.Samu-
el 25,23.42
. Abigail redete David mit soviel Ehrerbietung an, als
spräche sie zu einem gekrönten Monarchen. Nabal hatte höhnisch
gerufen: „Wer ist David?“ Abigail nannte ihn „mein Herr“. Mit
freundlichen Worten versuchte sie, seine Erbitterung zu besänftigen
und ihren Mann zu entschuldigen. Schlicht und ohne jeden Stolz,
erfüllt von göttlicher Weisheit und Liebe enthüllte sie ihm ihre starke
innere Bindung zu ihrer Familie. Sie machte David klar, daß das
unfreundliche Verhalten ihres Mannes keineswegs als persönliche
Beleidigung aufzufassen sei, sondern einfach als Ausdruck seines
unglückseligen, selbstsüchtigen Wesens.
„Nun aber, mein Herr, so wahr der Herr lebt und so wahr du selbst
lebst: der Herr hat dich davor bewahrt, in Blutschuld zu geraten und
dir mit eigener Hand zu helfen. So sollen deine Feinde und alle, die
meinem Herrn übel wollen, wie Nabal werden!“
1.Samuel 25,26
.
Abigail beanspruchte keineswegs das Verdienst für sich, David von
seinem übereilten Vorhaben abgebracht zu haben, sondern gab Gott
die Ehre. Dann bot sie Davids Leuten ihre reichlichen Vorräte als
Friedensgabe an und entschuldigte sich erneut, als ob sie selbst den
Unwillen des Anführers heraufbeschworen hätte.
„Vergib deiner Magd die Anmaßung!“ bat sie. „Der Herr wird
meinem Herrn ein beständiges Haus bauen, denn du führst des Herrn
Kriege. Es möge nichts Böses an dir gefunden werden dein Leben
lang.“ Abigail wies David ohne weiteres auf den Weg, den er gehen
sollte: Er sollte die Kriege des Herrn führen und sich nicht für
persönlich erlittenes Unrecht zu rächen suchen, selbst wenn er als
Verräter verfolgt würde. Sie fuhr fort: „Und wenn sich ein Mensch
erheben wird, dich zu verfolgen und dir nach dem Leben zu trachten,
[648]
so soll das Leben meines Herrn eingebunden sein im Bündlein der
Lebendigen bei dem Herrn, deinem Gott ... Wenn dann der Herr