Seite 652 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
ihm klar wurde, wie nahe er durch seine Torheit dem Tode gewesen
war, erlitt er einen Schlaganfall. Und aus Furcht, David hinge seinen
Rachegelüsten weiter nach, versank er in hoffnungslosen Stumpf-
sinn. Zehn Tage darauf starb er. Das ihm von Gott geschenkte Leben
war für seine Umwelt nur ein Fluch gewesen. Mitten im Festtrubel
und beim Feiern sprach Gott zu ihm wie zu dem reichen Mann im
Gleichnis: „Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern.“
Lukas 12,20
.
David heiratete später Abigail. Zwar hatte er schon eine Frau,
aber die Sitten der Zeit trübten auch seine Einsicht und beeinflußten
sein Tun. Selbst bedeutende und wertvolle Menschen irrten, wenn
sie sich den Gewohnheiten der Welt anpaßten. David bekam es
lebenslang schmerzlich zu spüren, daß er mehrere Frauen heiratete.
Nach Samuels Tod hatte David für einige Monate Ruhe und Frie-
den und zog sich wieder in die Einsamkeit zu den Siphiten zurück.
Aber diese Leute waren ihm nach wie vor nicht gut gesonnen. In
der Hoffnung, die Gunst des Königs zu gewinnen, verrieten sie ihm
Davids Versteck. Diese Nachricht weckte die in Saul schlummernde
Dämonie der Leidenschaft erneut. Wieder bot er seine Krieger zur
Verfolgung auf. Aber freundlich gesinnte Kundschafter warnten Da-
vid, der daraufhin mit einigen Männern Sauls Standort ausfindig zu
machen suchte. Die Nacht war hereingebrochen, als sie, behutsam
vorrückend, auf das Lager stießen und vor sich die Zelte des Königs
und seines Gefolges sahen. Niemand bemerkte sie, denn alles lag
in tiefem Schlaf. Als David seine Gefolgsleute aufforderte, mit ihm
mitten unter die Feinde zu gehen, und fragte: „Wer begleitet mich
hinab in Sauls Lager?“ da antwortete Abisai sofort: „Ich will mit dir
hinab.“
1.Samuel 26,6
.
Im dunklen Schatten der Berge betraten David und sein Begleiter
das feindliche Lager. Als sie sich über die genaue Zahl ihrer Gegner
Klarheit zu verschaffen suchten, stießen sie auf den schlafenden
Saul. Sein Speer steckte in der Erde, ein Krug mit Wasser stand
neben seinem Haupt. Neben ihm lag Abner, sein Feldhauptmann,
und um sie herum die fest schlafenden Krieger. Abisai hob seinen
Spieß und flüsterte David zu: „Gott hat deinen Feind heute in deine
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Hand gegeben; so will ich ihn nun mit seinem Speer an den Boden
spießen mit einem Mal, daß es keines zweiten mehr bedarf.“ Er
wartete auf die Erlaubnis, aber an sein Ohr drangen ebenso leise