Seite 70 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Henochs Zuhörer verspürten wohl die Kraft Gottes, die aus ihm
sprach. Einige ließen sich auch warnen und gaben ihre Sünden
auf. Aber die große Menge verspottete ihn und ging nur um so
dreister böse Wege. In den letzten Tagen haben die Diener Gottes
der Welt eine ähnliche Botschaft zu bringen, und auch sie wird mit
Unglauben und Gespött aufgenommen werden. Wie die Menschheit
vor der Sintflut, so wird auch das letzte Geschlecht die Warnungen
der Boten Gottes zu leicht nehmen.
Mitten in einem Leben rastloser Arbeit hielt Henoch unverwandt
an der Gemeinschaft mit Gott fest. Je stärker und nachhaltiger seine
Anstrengungen wurden, desto ernstlicher betete er. Hin und wie-
der schloß er sich von aller Geselligkeit aus. Denn wenn er eine
Zeitlang unter den Menschen war und mit Unterweisung und gu-
tem Beispiel ihnen zum Segen gewirkt hatte, hungerte und dürstete
ihn nach jener Erkenntnis, die nur Gott gewähren kann; um sie zu
erhalten, zog er sich zuweilen zurück. Nach Zeiten solcher inneren
Gemeinschaft spiegelte Henoch mehr und mehr das Bild Gottes wi-
der. Sein Angesicht war verklärt von heiligem Licht, wie es aus Jesu
Antlitz leuchtete. Wenn er von diesen Begegnungen mit Gott zu-
rückkehrte, nahmen selbst die Gottlosen den Abglanz des Himmels
mit Ehrfurcht an ihm wahr.
Die Bosheit der Menschen hatte nun solches Ausmaß angenom-
men, daß Gott die Vernichtung über sie aussprach. Jahr für Jahr
wurde der Strom menschlicher Schuld breiter und tiefer, und die
Wolken des göttlichen Gerichts ballten sich immer finsterer zusam-
men. Der Glaubenszeuge Henoch warnte und bat unentwegt. Er
mühte sich, den Strom der Schuld einzudämmen und damit die Stra-
fe abzuwenden. Das sündige, vergnügungssüchtige Volk hörte zwar
nicht auf ihn, doch wußte er, daß Gott seine Arbeit guthieß. Deshalb
kämpfte er gewissenhaft weiter gegen das überhandnehmende Übel,
bis Gott ihn aus dieser sündigen Welt in die reinen Freuden des
Himmels aufnahm.
Henochs Zeitgenossen verspotteten ihn, weil er so töricht war,
keinen Wert auf Gold und Silber oder irdischen Besitz zu legen.
Aber sein Herz richtete sich auf ewige Schätze. Er schaute auf die
himmlische Stadt, denn er hatte den König von Zion inmitten seiner
Herrlichkeit gesehen. Er war mit seinen Gedanken, Gefühlen und
Verrichtungen bei ewigen Dingen. Und je größer die Ungerechtig-