Seite 700 - Patriarchen und Propheten (1999)

Basic HTML-Version

696
Patriarchen und Propheten
Die Vorwürfe des Propheten trafen David im Innersten, und seine
Schuld stand in ihrer ganzen Größe vor ihm. In tiefer Reue beugte er
sich vor Gott. Mit bebenden Lippen bekannte er: „Ich habe gesündigt
gegen den Herrn.“
2.Samuel 12,13
. Alles Unrecht, daß man andern
zufügt, reicht bis hinauf vor Gott. David hatte an Uria und Bathseba
schwer gesündigt, das empfand er jetzt in seiner ganzen Schärfe.
Aber unendlich größer war seine Schuld gegenüber Gott.
Obwohl sich niemand in Israel gefunden hätte, das Todesurteil
am Gesalbten des Herrn zu vollstrecken, fürchtete sich David vor
einem plötzlichen Strafgericht Gottes, das ihn — schuldig und ohne
Vergebung — hinwegraffen könnte. Aber der Prophet durfte ihm ver-
sichern: „So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen; du wirst
nicht sterben.“
2.Samuel 12,13
. Doch Recht muß Recht bleiben. Das
Todesurteil wurde von David auf das Kind seiner Sünde übertragen,
und dem König wurde Gelegenheit zur Buße gegeben. Für ihn war
das Leiden und Sterben des Kindes als Teil seiner Strafe viel härter,
als es der eigene Tod gewesen wäre. Der Prophet sagte: „Weil du die
Feinde des Herrn durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird
der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben.“
2.Samuel 12,14
.
Als das Kind erkrankte, bat David mit Fasten und in tiefer Demut
um sein Leben. Er legte Stirnreif und Königsgewänder ab und bat,
Nacht für Nacht am Boden liegend, in herzzerreißendem Schmerz
für das unschuldige Wesen, das um seiner Schuld willen litt. „Da
traten herzu die Ältesten seines Hauses und wollten ihn aufrichten
von der Erde; er aber wollte nicht.“
2.Samuel 12,17
. Oft wendeten
Demütigung und Reue schon ausgesprochene Urteile über Menschen
und Städte ab, und der Allbarmherzige, schnell zur Vergebung bereit,
sandte ihnen Friedensboten. Durch diesen Gedanken ermutigt, hielt
David an zu flehen, solange das Kind noch am Leben war. Als er
erfuhr, es sei tot, unterwarf er sich still der Fügung Gottes. Der
erste Vergeltungsschlag, den er selbst als gerecht erklärt hatte, war
gefallen. Aber David blieb nicht ohne Trost, denn er vertraute auf
Gottes Erbarmen.
Viele, die diese Geschichte von Davids Fall lesen, mögen fragen:
„Warum wurde das veröffentlicht? Weshalb legte Gott diese dunkle
[698]
Seite eines von ihm in so hohem Maße gewürdigten Menschen vor
aller Welt offen dar?“ Als der Prophet David zurechtwies, sagte er
über dessen Sünde: „Du hast die Feinde des Herrn durch diese Sa-