Seite 707 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Absaloms Aufruhr
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wie vertraut die Israeliten mit den großen Wahrheiten der Erlösung
waren. Dem König wurde wieder bewußt, wie nötig er selbst Gottes
Barmherzigkeit hatte, und er konnte der Bitte nicht widerstehen. Joab
erhielt den Befehl: „So geh hin und bringe meinen Sohn Absalom
zurück.“
2.Samuel 14,21
.
Absalom durfte zwar nach Jerusalem heimkehren, aber nicht am
Hofe oder vor seinem Vater erscheinen. David begriff allmählich
die schlimmen Folgen seiner nachsichtigen Erziehung. Und so sehr
er diesen hübschen, begabten Sohn liebte, hielt er es um Absaloms
und des Volkes willen doch für notwendig, deutlich zu zeigen, wie
sehr er solche Freveltat verabscheute. Zwei Jahre lebte Absalom in
seinem Hause, aber vom Hofe verbannt. Seine Schwester wohnte
bei ihm, und ihre Anwesenheit hielt die Erinnerung an das nicht
wieder gut zu machende Unrecht wach, das man ihr angetan hatte.
In der öffentlichen Meinung war der Prinz allerdings eher ein Held
als ein Missetäter. Als er sich dessen bewußt wurde, fing er an,
die Stimmung des Volkes für sich zu gewinnen. Und er war auch
wirklich eine allgemein bewunderte Erscheinung. „Es war aber in
ganz Israel kein Mann so schön wie Absalom, und er hatte dieses
Lob vor allen; von der Fußsohle bis zum Scheitel war nicht ein
Fehl an ihm.“
2.Samuel 14,25
. Es war nicht klug vom König, einen
ehrgeizigen, leidenschaftlichen jungen Mann wie Absalom zwei
Jahre lang über mutmaßliche Übelstände grübeln zu lassen. Davids
Erlaubnis, nach Jerusalem zurückzukommen, ohne jedoch vor ihm
erscheinen zu dürfen, trug Absalom das Mitgefühl des Volkes ein.
Durch die stets gegenwärtige Erinnerung an seine eigene Über-
tretung des göttlichen Gesetzes schien David moralisch gehemmt
zu sein. Vorher mutig und entschlossen, war er jetzt schlaff und
unentschlossen. Sein Einfluß beim Volke ließ nach. Und all das
begünstigte natürlich die Pläne seines entarteten Sohnes.
Dem Einfluß Joabs verdankte es Absalom schließlich, daß er wie-
der in der Gegenwart des Vaters erscheinen durfte. Aber obwohl eine
äußerliche Versöhnung zustande kam, hielt er an seinen ehrgeizigen
Plänen fest. Er trieb nun einen beinahe königlichen Aufwand, hielt
sich Wagen und Pferde und fünfzig Mann Leibwache. Und während
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der König mehr und mehr die Einsamkeit und Zurückgezogenheit
suchte, warb Absalom emsig um die Gunst des Volkes.