Seite 713 - Patriarchen und Propheten (1999)

Basic HTML-Version

Absaloms Aufruhr
709
Widersachers ließ er seinen Haß an dem aus, den Gott so geschlagen
hatte. Wer über einen Unglücklichen triumphieren kann, ihn kränkt
oder verunglimpft, in dem herrscht der Geist des Bösen.
Simeis Anklagen gegen David waren völlig unberechtigt, eine
böswillige Verleumdung. David hatte weder Saul noch seiner Familie
unrecht getan. Als Saul in seiner Gewalt war und er ihn hätte töten
können, schnitt er nur einen Zipfel von seinem Gewand ab und
machte sich danach noch Vorwürfe, daß er es dem Gesalbten des
Herrn gegenüber an Ehrerbietung fehlen gelassen habe.
David hatte selbst als Gehetzter seine Achtung vor dem mensch-
lichen Leben bewiesen. Als er sich eines Tages als Flüchtling in der
Höhle Adullam verborgen gehalten hatte, waren seine Gedanken
zurück in die unbekümmerte Freiheit seiner Jugendjahre gewandert,
und er hatte ausgerufen: „Wer will mir Wasser zu trinken holen aus
dem Brunnen am Tor in Bethlehem?“ Bethlehem war zu der Zeit in
den Händen der Philister. Drei seiner Krieger hatten daraufhin die
Lagerwache durchbrochen, um ihrem Herrn Wasser aus Bethlehem
zu bringen. David hatte es jedoch nicht zu trinken vermocht. „Das
lasse der Herr fern von mir sein“, hatte er versichert. „Ist‘s nicht
das Blut der Männer, die ihr Leben gewagt haben und hingegangen
sind?“
2.Samuel 23,15.17
. Ehrerbietig hatte er das Wasser ausge-
gossen wie zum Opfer vor Gott. David war ein Mann des Krieges
gewesen, und vieles in seinem Leben hatte sich unter Gewalt ab-
gespielt. Aber von allen, die durch eine solche Feuerprobe gingen,
blieben nur wenige von dem verhärtenden, entsittlichenden Einfluß
so unberührt wie David.
Davids Neffe Abisai, einer seiner tapfersten Hauptleute, konnte
Simeis Schmähworte nicht ruhig anhören. „Sollte dieser tote Hund“,
rief er empört, „meinem Herrn, dem König, fluchen dürfen? Ich will
hingehen und ihm den Kopf abhauen.“ Aber der König verbot es ihm:
„Siehe, mein Sohn ... trachtet mir nach dem Leben; warum nicht auch
jetzt der Benjaminiter? Laßt ihn ruhig fluchen, denn der Herr hat‘s
ihm geboten. Vielleicht wird der Herr mein Elend ansehen und mir
mit Gutem vergelten sein heutiges Fluchen.“
2.Samuel 16,9.11.12
.
Das Gewissen hielt David bittere, demütigende Wahrheiten vor.
Während sich seine Getreuen über die plötzliche Wende des könig-
lichen Geschicks wunderten, war sie für ihn kein Geheimnis. Er
[711]
hatte eine Stunde wie diese lange voraus geahnt und sich gewundert,