Seite 173 - Das Wirken der Apostel (1976)

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In fernen Ländern
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Aber während die Menschen grausam und rachsüchtig waren
und ihre Verantwortung sträflich vernachlässigten, hatte Gott nicht
vergessen, seinen Dienern gnädig zu sein. Der ganze Himmel nahm
Anteil an dem Ergehen der Männer, die um Christi willen leiden
mußten. Engel wurden zu dem Gefängnis gesandt, und unter ihren
Tritten erbebte die Erde. Die schwerverriegelten Gefängnistüren
sprangen auf; Ketten und Fesseln fielen den Gefangenen von Händen
und Füßen, und ein helles Licht durchflutete das Gefängnis.
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Der Kerkermeister hatte mit Verwunderung die Gebete und Ge-
sänge der gefangenen Apostel gehört. Bei ihrer Einlieferung hatte
er ihre blutenden, geschwollenen Wunden gesehen und selbst ange-
ordnet, ihre Füße in den Stock zu legen. Er hatte erwartet, von ihnen
qualvolles Stöhnen und Verwünschungen zu vernehmen; statt dessen
hörte er Freuden- und Lobgesänge. Mit diesen Klängen im Ohr war
er eingeschlafen. Nun wurde er aufgerüttelt durch ein Erdbeben und
das Wanken der Gefängnismauern.
Als er erschrocken auffuhr, sah er mit Entsetzen, daß alle Ge-
fängnistüren offenstanden. Angst überfiel ihn, das die Gefangenen
entflohen sein könnten. Er dachte daran, mit welchem Nachdruck
am Abend zuvor Paulus und Silas seiner Obhut übergeben worden
waren. Seine scheinbare Untreue würde er mit dem Leben zu bezah-
len haben, dessen war er sich bewußt. In seiner Verzweiflung hielt er
es für besser, durch eigene Hand zu sterben, als einer schmachvollen
Hinrichtung entgegenzugehen. Er zog sein Schwert und wollte sich
umbringen; doch da rief ihm Paulus laut zu: „Tu dir nichts Übles;
denn wir sind alle hier!“
Apostelgeschichte 16,28
. Alle Häftlinge
waren an ihrem Platz, zurückgehalten durch die Kraft Gottes, die
einer ihrer Mitgefangenen ausstrahlte.
Die Strenge, mit der der Kerkermeister die Apostel behandelt
hatte, hatte in ihnen keinen Groll aufkommen lassen. Paulus und
Silas besaßen den Geist Christi und nicht den Geist der Rachsucht.
Ihre Herzen waren erfüllt von der Liebe ihres Heilandes; da war kein
Raum für Haß gegen ihre Verfolger.
Der Kerkermeister ließ sein Schwert fallen, rief nach Licht und
eilte ins innerste Gefängnis. Er wollte sehen, was das für Männer
waren, welche die ihnen zugefügte Grausamkeit mit Freundlichkeit
vergalten. Bei den Aposteln angelangt, warf er sich ihnen zu Füßen
und bat sie um Verzeihung. Dann führte er sie in den offenen Hof