Seite 320 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Das Wirken der Apostel
Die Brüder hofften, daß Paulus auf diese Weise die falschen
Berichte über ihn eindeutig widerlegen würde. Sie versicherten ihm
überdies, daß der Beschluß des allgemeinen Konzils zu Jerusalem
über die bekehrten Nichtjuden und das Zeremonialgesetz immer
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noch in Kraft sei. Aber ihr jetziger Rat ließ sich mit jener Entschei-
dung nicht vereinbaren. Gottes Geist hatte diese Anweisung nicht
gegeben, sie war eine Frucht der Feigheit. Die Leiter der Gemeinde
zu Jerusalem wußten nur zu gut, daß sich die Christen durch Nicht-
beachtung des Zeremonialgesetzes den Haß der Juden zuziehen und
Verfolgungen aussetzen würden. Der Hohe Rat tat alles, um den
Fortschritt des Evangeliums aufzuhalten. Er beauftragte Männer, die
den Aposteln, besonders aber Paulus, auf den Fersen bleiben und
sich ihrem Wirken auf jede nur mögliche Weise widersetzen sollten.
Konnten nun Christusgläubige dem Hohen Rat als Gesetzesüber-
treter überantwortet werden, dann hatten sie als Abgefallene vom
jüdischen Glauben sofortige und schwere Strafe zu erwarten.
Viele Juden, die das Evangelium angenommen hatten, bewahrten
noch eine hohe Achtung vor dem Zeremonialgesetz und waren nur
allzu bereit, unkluge Zugeständnisse zu machen. Sie hofften dadurch
das Vertrauen ihrer Landsleute zu gewinnen, deren Vorurteile zu be-
seitigen und sie für den Glauben an Christus als den Welterlöser
zu gewinnen. Paulus sah ein, daß viele der leitenden Glieder der
Gemeinde zu Jerusalem auch weiterhin darauf hinarbeiten würden,
seinen Einfluß zu untergraben, solange sie gegen ihn voreingenom-
men waren. Ihm war klar, daß ein großes Hindernis für den Erfolg
des Evangeliums an andern Orten beseitigt werden konnte, wenn
er sie durch irgendein annehmbares Zugeständnis für die Wahrheit
gewinnen würde. Gott hatte ihn jedoch nicht dazu ermächtigt, so
weit zu gehen, wie sie es von ihm forderten.
Wenn wir an den Herzenswunsch des Apostels denken, mit sei-
nen Brüdern übereinzustimmen, an seine Rücksichtnahme auf die
Schwachen im Glauben, seine Achtung vor den Aposteln, die mit
Christus gewesen waren, besonders vor Jakobus, dem Bruder des
Herrn, und an seinen Vorsatz, jedem soweit wie möglich entgegen-
zukommen, ohne dabei Grundsätze aufzugeben, — wenn wir das
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alles bedenken, dann überrascht es uns weniger, daß er sich drängen
ließ, von dem festen, sicheren Weg abzuweichen, den er bisher so
entschieden gegangen war. Anstatt dem ersehnten Ziel näherzukom-