Seite 325 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Paulus als Gefangener
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aber umherstanden, sprachen: Schiltst du den Hohenpriester Got-
tes?“ Mit gewohnter Höflichkeit antwortete Paulus: „Liebe Brüder,
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ich wußte nicht, daß er Hoherpriester ist. Denn es steht geschrieben:
‚Den Obersten deines Volkes sollst du nicht schmähen.‘
Da aber Paulus wußte, daß ein Teil Sadduzäer war und der andere
Teil Pharisäer, rief er im Rat: Ihr Männer, liebe Brüder, ich bin ein
Pharisäer und eines Pharisäers Sohn. Ich werde angeklagt um der
Hoffnung und um der Auferstehung der Toten willen.
Da er aber das sagte, ward eine Zwietracht unter den Pharisä-
ern und Sadduzäern, und die Versammlung spaltete sich. Denn die
Sadduzäer sagen, es gebe keine Auferstehung, noch einen Engel,
noch einen Geist; die Pharisäer aber lehren das alles.“
Apostelge-
schichte 23,2-8
. Die beiden Parteien stritten sich nun untereinander,
und damit war die Macht ihres Widerstandes gegen Paulus gebro-
chen. „Etliche Schriftgelehrte von der Pharisäer Partei standen auf
stritten und sprachen: Wir finden nichts Arges an diesem Menschen;
vielleicht hat doch ein Geist oder ein Engel mit ihm geredet.“
Apo-
stelgeschichte 23,9
.
In dem nun folgenden Durcheinander setzten die Sadduzäer alles
daran, den Apostel in ihre Gewalt zu bekommen, um ihn zu töten;
ebensosehr bemühten sich die Pharisäer, ihn zu schützen. Der oberste
Hauptmann befürchtete schließlich, „sie möchten Paulus zerreißen,
und hieß das Kriegsvolk hinabgehen und ihn von ihnen reißen und
in die Burg führen.“
Apostelgeschichte 23,10
.
Als Paulus später über die bittere Erfahrung dieses Tages nach-
dachte, überkam ihn Furcht, daß Gott seine Handlungsweise nicht
bejahen konnte. Hatte er einen Fehler begangen, daß er überhaupt
Jerusalem besuchte? Hatte sein sehnlicher Wunsch nach einem guten
Einvernehmen mit den dortigen Brüdern zu solch einem unheilvollen
Ergebnis geführt?
Wie sich die Juden als vorgebliches Gottesvolk vor einer un-
gläubigen Welt verhielten, verursachte dem Apostel heftige innere
Not. Was mochten wohl die heidnischen Offiziere jetzt von ihnen
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denken? Die Juden gaben vor, als Anbeter des lebendigen Gottes
zu heiligem Dienst berufen zu sein, und ließen sich dennoch von
blindem, ungerechtfertigtem Zorn hinreißen. Sie versuchten sogar
ihre Brüder umzubringen, die in Fragen des Glaubens anderer Mei-
nung zu sein wagten, und wandelten eine heilige Ratsversammlung