Seite 98 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Das Wirken der Apostel
und wie unbarmherzig er zur Verfolgung der an Jesus von Nazareth
Gläubigen gedrängt hatte.
In einsamer Zurückgezogenheit verbrachte Saulus diese Tage
strenger Selbstprüfung und Demütigung des Herzens. Die Gläubi-
gen in Damaskus, die vor ihm gewarnt worden waren, befürchteten,
daß er sich nur verstelle, um sie leichter fangen zu können. Deshalb
hielten sie sich fern von ihm und bekundeten ihm auch keine An-
teilnahme. Saulus wiederum hatte keinerlei Verlangen, sich an die
unbekehrten Juden zu wenden, mit denen er sich zur Verfolgung
der Gläubigen hatte zusammentun wollen; denn er wußte, daß sie
seinem Bericht nicht einmal Gehör schenken würden. So schien er
von jedem menschlichen Mitgefühl abgeschnitten zu sein. Seine
einzige Hoffnung auf Hilfe war der gnädige Gott; zu ihm wandte er
sich zerschlagenen Herzens.
Während der langen Stunden, die Saulus mit Gott allein war,
erinnerte er sich vieler Schriftabschnitte, die auf das erste Kommen
Christi hinweisen. Mit einem Gedächtnis, das durch die Überzeu-
gung geschärft war, die sich seiner bemächtigt hatte, ging er sorg-
fältig den Prophezeiungen nach. Als er über die Bedeutung dieser
Weissagungen nachdachte, verwunderte er sich über seine bisherige
Blindheit gegenüber geistlichen Dingen und über die Blindheit der
Juden im allgemeinen, die zur Verwerfung Jesu als des verheißenen
Messias geführt hatte. Nun aber war sein Verständnis erleuchtet,
und alles schien klar zu sein. Er erkannte, daß seine alten Vorurteile
und sein Unglaube sein geistliches Wahrnehmungsvermögen ver-
dunkelt und ihn daran gehindert hatten, in Jesus von Nazareth den
geweissagten Messias zu erkennen.
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Saulus lieferte sich der überführenden Macht des Heiligen Gei-
stes aus; er erkannte infolgedessen die Irrtümer in seinem Leben
und die umfassenden Forderungen des Gesetzes Gottes. Er, der ehe-
mals stolze Pharisäer, der davon überzeugt war, durch seine guten
Werke gerechtfertigt zu sein, beugte sich in kindlicher Demut und
Einfalt vor Gott, bekannte seine Unwürdigkeit und stützte sich allein
auf die Verdienste des gekreuzigten und auferstandenen Heilandes.
Er sehnte sich nach wahrhaft inniger Harmonie und Gemeinschaft
mit dem Vater und dem Sohn. Beseelt von dem herzlichen Wunsch
um Vergebung und Annahme, brachte er inbrünstige Bitten vor den
Thron der Gnade.