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Der Weg zu Christus
Fehler und Schwächen, unsere unheiligen Wünsche und Begierden,
die Untreue unserer Herzen, die Unreinheit unserer Lippen. Die
Treulosigkeit des Sünders, der das Gesetz Gottes für ungültig erklä-
ren will, wird sichtbar. Der Geist des Herrn bricht seinen Hochmut
und demütigt ihn. Der Sünder verabscheut sich selbst, wenn er das
reine, unbefleckte Wesen Christi betrachtet.
Als der Prophet Daniel die Herrlichkeit Gottes schaute, die den
zu ihm gesandten himmlischen Boten umgab, da überwältigte ihn
das Gefühl seiner eigenen Schwäche und Unvollkommenheit. Er
beschrieb die Wirkung dieser wunderbaren Begebenheit mit folgen-
den Worten: „Ich blieb allein und sah dies große Gesicht. Es blieb
aber keine Kraft in mir, und ich ward sehr entstellt und hatte keine
Kraft mehr.“
Daniel 10,8
. Ein in solcher Weise gerührtes Herz lernt
Selbstsucht und Eigenliebe hassen; es beginnt, unter dem Beistand
der Gerechtigkeit Christi nach der Reinheit des Herzens zu streben,
die im Einklang mit dem Gesetz Gottes und der Liebe Christi steht.
Der Apostel Paulus schreibt, er sei „nach der Gerechtigkeit im
Gesetz gewesen unsträflich“ (
Philipper 3,6
), soweit also die äußeren
Werke in Betracht kamen; aber als er die geistige Seite, die innere
Deutung, verstanden hatte, erkannte er sich als Sünder. Nach dem
Buchstaben des Gesetzes beurteilt, wie es die Menschen auf das
äußere Leben anwenden, hatte sich der Apostel der Sünde enthalten;
aber als er in die Tiefe des heiligen Gesetzes eindrang und sich
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selbst so betrachtete, wie Gott ihn sah, demütigte er sich tief und
bekannte seine Schuld mit den Worten: „Ich aber lebte weiland ohne
Gesetz; da aber das Gebot kam, ward die Sünde wieder lebendig,
ich aber starb.“
Römer 7,9.10
. Als er die geistliche Natur des Ge-
setzes recht begriffen hatte, erschien ihm die Sünde in ihrer wahren
Furchtbarkeit, und sein Hochmut verschwand.
Gott sieht nicht alle Sünden als gleich groß an; er macht ebenso
wie die Menschen einen Unterschied nach ihrer Größe; aber wie
klein auch immer diese oder jene Schwäche in den Augen der Men-
schen sein mag, so ist doch keine Sünde gering in Gottes Augen.
Der Menschen Urteil ist parteilich, unvollkommen; Gott aber
sieht und beurteilt alle Dinge nach ihrer wirklichen Beschaffenheit.
Ein Trunkenbold wird verachtet, und man sagt ihm, daß seine Sünde
ihn vom Himmel ausschließe. Wie oft aber bleiben Hochmut, Ei-
genliebe, Habsucht und Geiz ungetadelt? Aber gerade diese Sünden