Das Gebet als Gnadengabe
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und Innigkeit, als habe er nur für diesen einen seinen geliebten Sohn
in den Tod gegeben.
Jesus sagte: „Ihr werdet bitten in meinem Namen. Und ich sage
euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst, der
Vater, hat euch lieb, darum daß ihr mich liebet“.
Johannes 16,26.27
.
Vorher sagt er schon: „Ich habe euch erwählt ... auf daß, so ihr den
Vater bittet in meinem Namen, er‘s euch gebe.“
Johannes 15,16
.
In Jesu Namen beten heißt jedoch mehr, als nur seinen Namen am
Anfang oder am Ende des Gebets erwähnen. Wir müssen im Ver-
ständnis und im Geiste Jesu beten, an seine Verheißungen glauben,
seiner Gnade vertrauen und seine Werke vollbringen.
Gott verlangt von uns nicht, daß wir Einsiedler oder Mönche
werden und uns gänzlich von der Welt zurückziehen, um uns seinem
Dienst zu weihen. Unser Leben muß dem Leben Christi gleichen:
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wir brauchen Einsamkeit und Gemeinsamkeit. Wer nur betet und
sonst nichts tut, wird bald aufhören zu beten, oder seine Gebete
werden zur bloßen Form. Sobald die Menschen sich von dem gesell-
schaftlichen Leben, von den Pflichten und dem Kreuztragen eines
Christen absondern, sobald sie aufhören, ernstlich für ihren Herrn
und Meister zu arbeiten, der so treu für sie gewirkt hat, haben sie
nichts, worum sie beten sollen, und verlieren den Trieb zur Andacht.
Ihre Gebete werden eigennützig. Sie können nicht mehr für die Be-
dürfnisse der Menschheit oder um Kraft zur Mitarbeit am Aufbau
des Reiches Gottes beten.
Es bedeutet einen schweren Verlust für uns, wenn wir die Gna-
dengabe vernachlässigen, uns im Verein mit andern zur Arbeit für
Gott zu stärken und zu ermutigen. Die Lehren seines Wortes büßen
an Klarheit und Bedeutung für uns ein und hören auf, unsere Herzen
zu erleuchten und durch ihren heiligenden Einfluß zu erwecken.
Dadurch wird unsere Geistesstärke beeinträchtigt. In unserm Ver-
kehr als Christen verlieren wir viel durch den Mangel an Mitgefühl
füreinander. Wer nur für sich selbst lebt, füllt nicht die ihm von Gott
anvertraute Stellung aus. Die richtige Pflege unserer gesellschaftli-
chen Fähigkeiten bringt uns in enge Gemeinschaft mit andern und
fördert in uns die Entwicklung und Kraft für den Dienst Gottes.
Sprächen Christen in ihrem täglichen Verkehr miteinander mehr
von der Liebe des Allwaltenden und der Erlösung, so würde ihren
Herzen Erquickung zuteil, und sie würden sich gegenseitig mehr