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Der große Kampf
Glauben zu bekennen und seinem Leidensbruder unbeirrt auf den
Scheiterhaufen zu folgen.
Er nahm seinen Widerruf zurück und verlangte als ein dem Tode
Verfallener feierlich eine Gelegenheit, sich zu verteidigen. Die Fol-
gen seiner Worte fürchtend, bestanden die Kirchenfürsten darauf,
daß er einfach die Wahrheit der gegen ihn erhobenen Anklagen be-
stätigen oder ableugnen solle. Hieronymus erhob Einwände gegen
solche Grausamkeit und Ungerechtigkeit: „Ganze 340 Tage habt
ihr mich in dem schwersten, schrecklichsten Gefängnis, da nichts
als Unflat, Gestank, Kot und Fußfesseln neben höchstem Mangel
aller notwendigsten Dinge, gehalten. Meinen Feinden gewährt ihr
gnädige Audienz, mich aber wollt ihr nicht eine Stunde hören ... Ihr
werdet Lichter der Welt und verständige Männer genannt, so sehet
zu, daß ihr nichts unbedachtsam wider die Gerechtigkeit tut. Ich bin
zwar nur ein armer Mensch, welches Haut es gilt. Ich sage auch dies
nicht, der ich sterblich bin, meinetwegen. Das verdrießt mich, daß
ihr als weise, verständige Männer wider alle Billigkeit ein Urteil
fällt.
Sein Gesuch wurde ihm schließlich gewährt. In Gegenwart sei-
ner Richter kniete Hieronymus nieder und betete, der göttliche Geist
möge seine Gedanken und Worte leiten, damit er nichts spreche,
was gegen die Wahrheit oder seines Meisters unwürdig sei. An ihm
erfüllte sich an jenem Tag die den ersten Jüngern gegebene Verhei-
ßung Gottes: „Und man wird euch vor Fürsten und Könige führen
um meinetwillen ... Wenn sie euch nun überantworten werden, so
sorget nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der
Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn ihr seid es nicht,
die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“
Matthäus 10,18-20
.
Hieronymus‘ Worte erregten selbst bei seinen Feinden Staunen
und Bewunderung. Ein ganzes Jahr hatte er hinter Kerkermauern
gesessen, ohne die Möglichkeit zu lesen oder etwas zu sehen, in
großen körperlichen Leiden und in Seelenangst. Doch er trug seine
Beweise so klar und machtvoll vor, als hätte er ungestört Gelegen-
heit zum Studium gehabt. Er verwies seine Zuhörer auf die lange
Reihe vortrefflicher Männer, die von ungerechten Richtern verurteilt
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Theobald, „Hussitenkrieg“ 158