Seite 118 - Der gro

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Der große Kampf
Die vor Wut bebenden geistlichen Würdenträger unterbrachen
ihn mit den Worten: „Was bedarf es weiteren Beweises? Wir sehen
mit unseren eigenen Augen den halsstarrigsten Ketzer!“
Von ihrem Rasen unberührt, rief Hieronymus aus: „Was! Meint
ihr, ich fürchte mich, zu sterben? Ihr habt mich ein ganzes Jahr in ei-
nem fürchterlichen Verlies gehalten, schrecklicher als der Tod selbst.
Ihr habt mich grausamer behandelt denn einen Türken, Juden oder
Heiden; mein Fleisch ist mir buchstäblich auf meinen Knochen bei
lebendigem Leibe verfault; und dennoch erhebe ich keine Ankla-
ge, denn Klagen ziemen sich nicht für einen Mann von Herz und
Mut; ich wundere mich nur über so unmenschliche, will nicht sagen,
unchristliche Grausamkeit.
Abermals brach ein wütender Sturm los, und Hieronymus mußte
wieder ins Gefängnis. Doch waren unter den Zuhörern etliche, auf
die seine Worte tiefen Eindruck gemacht hatten und die sein Leben
retten wollten. Hohe Würdenträger kamen zu ihm ins Gefängnis
und drangen in ihn, sich dem Konzil zu unterwerfen. Die großar-
tigsten Aussichten wurden ihm vor Augen gestellt, wenn er seinen
Widerstand gegen Rom aufgäbe.
Aber gleich seinem Meister, als ihm die Herrlichkeit der Welt an-
geboten wurde, blieb Hieronymus standhaft und antwortete: „Kann
ich aus der Heiligen Schrift überführt werden, will ich von Herzen
um Vergebung bitten; wo nicht, will ich nicht weichen, auch nicht
einen Schritt.“ Darauf sagte einer der Versucher: „Muß alles aus der
Schrift beurteilt werden? Wer kann sie verstehen? Muß man nicht
die Kirchenväter zu ihrer Auslegung heranziehen?“
Hieronymus erwiderte: „Was höre ich da? Soll das Wort falsch
sein oder urteilen? Soll es nicht allein gehört werden? Sollen die
Menschen mehr gelten als das heilige Wort Gottes? ... Warum hat
Paulus seine Bischöfe nicht ermahnt, den Ältesten zu hören, sondern
gesagt, die Heilige Schrift kann dich unterweisen? Nein, das nehme
ich nicht an, es koste mein Leben. Gott kann es wiedergeben.“ Da
sah ihn der Frager an und sagte mit scharfer Stimme: „Du Ketzer;
es reut mich, daß ich soviel deinetwegen getan habe. Ich sehe wohl,
daß der Teufel dich regiert.
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Bonnecose, ebd., 3.Buch, 168,169
1
Theobald, „Hussitenkrieg“ 162-164