Seite 119 - Der gro

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Hus und Hieronymus
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Bald darauf fällte man das Todesurteil über ihn. Er wurde an
denselben Ort geführt, an dem Hus den Flammentod gestorben war.
Singend ging er seinen Weg und auf seinem Angesicht leuchteten
Freude und Frieden. Sein Blick war auf Christus gerichtet, und
der Tod hatte für ihn seine Schrecken verloren. Als der Henker im
Begriff war, hinter seinem Rücken den Holzstoß anzuzünden, rief der
Märtyrer aus: „Kommt mutig nach vorn und zündet ihn vor meinen
Augen an. Wenn ich mich gefürchtet hätte, wäre ich nicht hier.“
Die letzten Worte, die er sprach, als die Flammen um ihn herum
schon emporschlugen, waren ein Gebet: „Herr, allmächtiger Vater,
erbarme dich mein und vergib mir meine Sünde; denn du weißt, daß
ich deine Wahrheit allezeit geliebt habe.
Seine Stimme verstumm-
te; aber seine Lippen bewegten sich weiter im Gebet. Als das Feuer
sein Werk getan hatte, wurde die Asche des Märtyrers samt der Erde,
auf der sie lag, aufgenommen und gleich der Asche des Hus in den
Rhein geworfen
So starben Gottes treue Lichtträger. Das Licht der Wahrhei-
ten aber, die sie verkündigt hatten, das Licht des heldenmütigen
Beispiels, konnte nicht ausgelöscht werden. Die Menschen hätten
ebensogut versuchen können, die Sonne in ihrem Lauf zurückzu-
halten, wie die Dämmerung jenes Tages zu verhindern, der damals
gerade über die Welt hereinzubrechen begann.
Hus‘ Hinrichtung hatte in Böhmen eine Flamme der Entrüstung
und des Schreckens angefacht. Die ganze Nation empfand es, daß
er der Ruchlosigkeit der Priester und der Treulosigkeit des Kaisers
zum Opfer gefallen war. Man sagte, er sei ein treuer Lehrer der
Wahrheit gewesen, und erklärte das Konzil, das ihn zum Tode verur-
teilt hatte, des Mordes schuldig. Seine Lehren erregten nun größere
Aufmerksamkeit als je zuvor. Wiklifs Schriften waren durch päpst-
liche Erlasse den Flammen übergeben worden; alle, die jedoch der
Vernichtung entgangen waren, wurden nun aus ihren Verstecken
hervorgeholt und in Verbindung mit der Bibel oder Teilen der Bibel,
die das Volk sich zu verschaffen vermochte, studiert. Viele Seelen
fühlten sich auf diese Weise gedrungen, den reformierten Glauben
anzunehmen und ihn auszuleben.
[115]
1
Bonnechose, ebd., 3.Buch, 185,186
.
1
Theobald, „Hussitenkrieg“ 168