Seite 121 - Der gro

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Hus und Hieronymus
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die Böhmen arm zu machen, sie bereicherte
Wenige Jahre später wurde unter einem neuen Papst wieder-
um ein Kreuzzug unternommen, und zwar schaffte man wie zuvor
aus allen päpstlichen Ländern Europas Männer und Mittel herbei.
Große Vorteile wurden denen, die sich an diesem gefährlichen Un-
ternehmen beteiligen würden, in Aussicht gestellt, so eine völlige
Vergebung der abscheulichsten Sünden. Allen, die im Kriege um-
kämen, verhieß man eine reichliche Belohnung im Himmel, und
die Überlebenden sollten auf dem Schlachtfeld Ehre und Reichtum
ernten. Ein großes Heer wurde zusammengestellt, das die Grenze
überschreitend in Böhmen eindrang. Die husitischen Streitkräfte zo-
gen sich bei seinem Herannahen zurück, lockten die Eindringlinge
immer tiefer ins Land und verleiteten sie dadurch zu der Annahme,
den Sieg bereits in der Tasche zu haben. Schließlich machte das
Heer des Prokop halt, wandte sich gegen den Feind und ging zum
Angriff über. Die Kreuzfahrer, ihren Irrtum entdeckend, blieben in
ihrem Lager und erwarteten den Angriff. Als sie das Getöse der
herannahenden Streitkräfte vernahmen, ergriff sie Schrecken, (Siehe
Anm. 027) noch ehe sie die Hussiten zu Gesicht bekamen; Fürsten,
Feldherrn und gemeine Soldaten warfen ihre Rüstungen weg und
flohen in alle Richtungen. Umsonst versuchte der päpstliche Ge-
sandte, der Anführer des eingefallenen Heeres, seine erschreckten
und aufgelösten Truppen wieder zu sammeln. Trotz seiner äußersten
Bemühungen wurde er selbst vom Strom der Fliehenden mitgerissen.
Die Niederlage war vollständig, und wieder fiel ungeheure Beute in
die Hände der Sieger.
So floh zum zweitenmal ein gewaltiges Heer, eine Schar tapferer,
kriegstüchtiger, zur Schlacht geschulter und gerüsteter Männer, die
von den mächtigsten Nationen Europas ausgesandt worden waren,
fast ohne einen Schwertstreich vor den Verteidigern eines unbedeu-
tenden und bisher schwachen Volkes. Hier offenbarte sich göttliche
Macht. Die kaiserlichen Soldaten waren von einem übernatürlichen
Schrecken erfaßt worden. Der die Scharen Pharaos im Roten Meer
vernichtete, der die Midianiter vor Gideon und seinen dreihundert
Mann in die Flucht schlug, der in einer Nacht die Streitkräfte der
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Wylie, „History of Protestantism“, 3.Buch, Kapitel 17; Oncken, „Allgemeine Ge-
schichte“, dort: Prutz, „Staatengeschichte des Abendlandes imMittelalter“, Bd. II, 397-408