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Luthers Trennung von Rom
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Luther erkannte die Gefahr, menschliche Lehrsätze über das Wort
Gottes zu erheben. Furchtlos griff er den spitzfindigen Unglauben
der Schulgelehrten an und trat der Philosophie und Theologie, die
so lange einen herrschenden Einfluß auf das Volk ausgeübt hatten,
entgegen. Er verwarf deren Bemühen nicht nur als wertlos, sondern
auch als verderblich und suchte die Gemüter seiner Zuhörer von den
Trugschlüssen der Philosophen und Theologen abzuwenden und auf
die ewigen Wahrheiten hinzulenken, die die Propheten und Apostel
verkündigten.
Köstlich war die Botschaft, die er der lebhaft anteilnehmenden
Menge, die an seinen Lippen hing, bringen durfte. Nie zuvor waren
solche Lehren an ihre Ohren gedrungen. Die frohe Kunde von der
Liebe des Heilandes, die Gewißheit der Vergebung und des Friedens
durch das versöhnende Blut Christi erfreute ihre Herzen und füllte
sie mit einer unvergänglichen Hoffnung. In Wittenberg war ein Licht
angezündet worden, dessen Strahlen die fernsten Teile der Erde
erreichen und bis zum Ende der Zeit an Glanz und Klarheit mehr
und mehr zunehmen sollten.
Aber Licht und Finsternis können sich nicht vertragen, und zwi-
schen Wahrheit und Irrtum besteht ein unvermeidbarer Kampf. Das
eine aufrechterhalten und verteidigen heißt das andere angreifen und
umstürzen. Unser Heiland selbst erklärte: „Ich bin nicht gekommen,
Frieden zu senden, sondern das Schwert“ (
Matthäus 10,34
), und
Luther schrieb einige Jahre nach Beginn der Reformation: „Gott
reißt, treibt und führt mich; ich bin meiner nicht mächtig; ich will
stille sein und werde mitten in den Tumult hineingerissen.
— Er
sollte nun in den Kampf gedrängt werden.
Die katholische Kirche hatte die Gnade Gottes zu einem Han-
delsgut herabgewürdigt. Die Tische der Geldwechsler waren neben
den Altären aufgestellt, und das Geschrei der Käufer und Verkäufer
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erfüllte die Luft. Vgl.
Matthäus 21,12
. Unter dem Vorwand, Mittel
für den Bau der Peterskirche in Rom zu erheben, wurden namens
der Autorität des Papstes öffentlich Sündenablässe zum Verkauf
angeboten. Mit Frevelgeld sollte ein Tempel zur Anbetung Gottes
errichtet, der Grundstein mit Lösegeld von der Sünde gelegt werden.
Aber gerade das zu Roms Erhebung ergriffene Mittel veranlaßte
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Enders, „D. Martin Luthers Briefwechsel“, Bd. I 430, 20. Februar 1519