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Der große Kampf
lig in seinen Bemühungen zugunsten der Reformation anschließen
würden. Ermutigende Worte von hochgestellten Persönlichkeiten
hatten ihm Freude und Hoffnung eingeflößt. In der Vorahnung hatte
er bereits einen helleren Tag für die Gemeinde anbrechen sehen.
Doch die Ermutigung verwandelte sich in Vorwurf und Verurteilung.
Viele staatliche und kirchliche Würdenträger waren von der Wahr-
heit seiner Thesen überzeugt; aber sie sahen bald, daß die Annahme
dieser Wahrheiten große Umwälzungen mit sich bringen würden.
Das Volk zu erleuchten und umzugestalten hieße in Wirklichkeit die
Autorität Roms zu untergraben, Tausende von Strömen, die nun in
seine Schatzkammer flossen, aufzuhalten und auf diese Weise die
Verschwendung und den Aufwand der Herren Roms in hohem Grade
zu beschränken. Noch mehr: Das Volk zu lehren, als verantwortliche
Geschöpfe zu denken und zu handeln und allein auf Christus zu
blicken, um selig zu werden, würde den Thron des Papstes stür-
zen und am Ende auch die Autorität seiner Würdenträger zugrunde
richten. Aus dieser Ursache heraus wiesen sie die von Gott darge-
botene Erkenntnis zurück und erhoben sich durch ihren Widerstand
gegen den Mann, den Gott zu ihrer Erleuchtung gesandt hatte, wider
Christus und die Wahrheit.
Luther zitterte, als er auf sich sah, „mehr eine Leiche, denn einem
Menschen gleich“, den gewaltigsten Mächten der Erde gegenüberge-
stellt. Zuweilen zweifelte er, ob ihn der Herr in seinem Widerstand
wider die Autorität der Kirche wirklich leitete. Er schrieb: „Wer
war ich elender, verachteter Bruder dazumal, der sich sollte wider
des Papstes Majestät setzen, vor welcher die Könige auf Erden und
der ganze Erdboden sich entsetzten und allein nach seinen Winken
sich mußten richten? Was mein Herz in jenen zwei Jahren ausge-
standen und erlitten habe und in welcherlei Demut, ja Verzweiflung
ich da schwebte, ach! da wissen die sichern Geister wenig von, die
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hernach des Papstes Majestät mit großem Stolz und Vermessen-
heit angriffen.
Doch er wurde nicht gänzlich entmutigt. Fehlten
menschliche Stützen, so schaute er auf Gott allein und lernte, daß
er sich in vollkommener Sicherheit auf dessen allmächtigen Arm
verlassen konnte.
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Seckendorff, „Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo seu de
reformatione“, Bd. I 119f
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