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Luthers Trennung von Rom
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Einem Freund der Reformation schrieb Luther: „Es ist vor allem
gewiß, daß man die Heilige Schrift weder durch Studium noch mit
dem Verstand erfassen kann. Deshalb ist es zuerst Pflicht, daß du
mit dem Gebet beginnst und den Herrn bittest, er möge dir zu seiner
Ehre, nicht zu deiner, in seiner großen Barmherzigkeit das wahre
Verständnis seiner Worte schenken. Das Wort Gottes wird uns von
seinem Urheber ausgelegt, wie er sagt, daß sie alle von Gott gelehrt
sind. Hoffe deshalb nichts von deinem Studium und Verstand; ver-
traue allein auf den Einfluß des Geistes. Glaube meiner Erfahrung.
Hier wird eine außerordentlich wichtige Erfahrung mitgeteilt für
alle, die sich von Gott berufen fühlen, andern die ernsten Wahrheiten
für die gegenwärtige Zeit zu verkündigen. Diese Wahrheiten erregen
die Feindschaft Satans und der Menschen, welche die Fabeln lieben,
die er erdichtet hat. Zum Kampf mit den bösen Mächten ist mehr
vonnöten als Verstandeskraft und menschliche Weisheit.
Beriefen sich die Gegner auf Gebräuche und Überlieferungen
oder auf die Behauptungen und die Autorität des Papstes, so trat
Luther ihnen mit der Bibel, nur mit der Bibel entgegen. Darin standen
Beweisführungen, die sie nicht widerlegen konnten; deshalb schrien
die Sklaven des Formenwesens und des Aberglaubens nach seinem
Blut, wie die Juden nach dem Blut Christi geschrien hatten. „Er
ist ein Ketzer!“ riefen die römischen Eiferer. „Es ist Hochverrat
gegen die Kirche, wenn ein so schändlicher Ketzer noch eine Stunde
länger lebt. Auf den Scheiterhaufen mit ihm!
Aber Luther fiel
ihrer Wut nicht zum Opfer. Gott hatte eine Aufgabe für ihn bereit,
und himmlische Engel wurden ausgesandt, ihn zu beschützen. Viele
jedoch, die von Luther das köstliche Licht empfangen hatten, wurden
die Zielscheibe der Wut Satans und erlitten um der Wahrheit willen
furchtlos Marter und Tod.
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Luthers Lehren zogen die Aufmerksamkeit denkender Geister
in ganz Deutschland auf sich. Seine Predigten und Schriften ver-
breiteten Lichtstrahlen, die Tausende erschreckten und erleuchteten.
Ein lebendiger Glaube trat an die Stelle toten Formenwesens, in
welchem die Kirche so lange gehalten worden war. Das Volk verlor
täglich mehr das Zutrauen zu den abergläubischen Lehren der römi-
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Enders, Bd.I 142, 18.Januar 1518
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Seckendorff, ebd. S.104