Seite 158 - Der gro

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Der große Kampf
reicht, weil es aber gefordert wäre, so wollte ich doch im Namen des
Herrn erscheinen und dem Behemoth zwischen seine große Zähne
treten und Christum bekennen und denselben walten lassen.
Die Kunde, Luther nähere sich Worms, rief große Erregung her-
vor. Seine Freunde zitterten um seine Sicherheit; seine Feinde fürch-
teten für den Erfolg ihrer Sache. Ernsthaft bemühte man sich, ihm
von dem Betreten der Stadt abzuraten. Auf Anstiften der Römlinge
drang man in ihn sich auf das Schloß eines befreundeten Ritters zu
begeben, wo nach ihrer Darstellung dann alle Schwierigkeiten auf
freundschaftlichem Wege beigelegt werden könnten. Freunde ver-
suchten, ihm durch Vorstellungen der ihm drohenden Gefahr Furcht
einzuflößen. Alle Bemühungen blieben nutzlos. Luther wankte nicht,
sondern erklärte: „Ich will gen Worms, wenn gleich so viel Teufel
drinnen wären, als immer Ziegel auf ihren Dächern!“
Bei seiner Ankunft in Worms war die Zahl derer, die sich an den
Toren drängten, ihn willkommen zu heißen, sogar noch größer als
beim Einzug des Kaisers. Es herrschte eine ungeheure Erregung,
und aus der Mitte der Volksmenge sang eine durchdringende, kla-
gende Stimme ein Grablied, um Luther vor dem ihm bevorstehenden
Schicksal zu warnen. „Gott wird mit mir sein“, sprach er mutig beim
Verlassen des Wagens.
Die Anhänger des Papstes hatten nicht erwartet, daß Luther es
wirklich wagen würde, in Worms zu erscheinen, und seine Ankunft
bestürzte sie außerordentlich. Der Kaiser rief sofort seine Räte zu-
sammen, um das einzuschlagende Verfahren zu erwägen. Einer der
Bischöfe, ein unbeugsamer Anhänger Roms, erklärte: „Wir haben
uns schon lange darüber beraten. Kaiserliche Majestät möge diesen
Mann beiseite tun und ihn umbringen lassen. Sigismund hat den
Johann Hus ebenso behandelt; einem Ketzer brauch man kein Geleit
zu geben oder zu halten.“ Karl verwarf diesen Vorschlag, man müs-
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se halten, was man versprochen habe. Der Reformator sollte also
vorgeladen werden
Die ganze Stadt wollte diesen merkwürdigen Mann sehen, und
bald füllte sich sein Quartier mit vielen Besuchern. Luther hatte
sich kaum von einer kürzlich überstanden Krankheit erholt; er war
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Luther, Walch, XV 2172,2173.
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D‘Aubigné, „Geschichte der Reformation“, 7.Buch, 8.Abschnitt 195; Ranke, „Ge-
schichte im Zeitalter der Reformation“, I 330 f
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