Seite 222 - Der gro

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Der große Kampf
Satzungen Roms, sondern die Lehren Luthers
zu finden, und er
widmete sich von nun an ganz der Sache des Evangeliums.
Berquin schien bestimmt, der Reformator seines Vaterlandes zu
werden, nannten doch viele diesen Günstling des Königs wegen
seiner Begabung, seiner Beredsamkeit, seines unbeugsamen Mutes,
seines Heldeneifers und seines Einflusses am Hofe „den Gelehr-
testen unter den Adligen“. Nach Beza wäre Berquin vielleicht ein
zweiter Luther geworden, hätte er in Franz I. einen zweiten Kurfür-
sten gefunden. Die Römlinge aber verschrien ihn, daß er schlimmer
wäre als Luther; sicher ist, daß sie ihn mehr fürchteten. Sie war-
fen ihn als Ketzer ins Gefängnis, doch ließ ihn der König wieder
frei. Jahrelang zog sich der Kampf hin. Franz, zwischen Rom und
der Reformation schwankend, duldete und zügelte abwechselnd den
grimmigen Eifer der Mönche. Dreimal wurde Berquin von den päpst-
lichen Behörden eingekerkert, jedoch von dem Monarchen, der sich
in Bewunderung seiner Geistesgaben und seines edlen Charakters
weigerte, ihn der Bosheit der Priesterherrschaft preiszugeben, immer
wieder freigelassen.
Berquin wurde wiederholt vor der ihm in Frankreich drohenden
Gefahr gewarnt, und man drang in ihn, den Schritten derer zu fol-
gen, die in einem freiwilligen Exil Sicherheit gefunden hatten. Der
furchtsame, unbeständige Erasmus, der trotz all seiner glänzenden
Gelehrsamkeit jener moralischen Größe ermangelte, die das Leben
und die Ehre der Wahrheit unterordnet, schrieb an Berquin: „Halte
darum an, als Gesandter ins Ausland geschickt zu werden. Bereise
Deutschland. Du kennst Beda und seinesgleichen — er ist ein tau-
sendköpfiges Ungeheuer, das Gift nach allen Seiten ausspeit. Deine
Feinde heißen Legion. Selbst wenn deine Sache besser wäre als Jesu
Christi, so würden sie dich nicht gehen lassen, bis sie dich elendig-
lich umgebracht haben. Verlasse dich nicht allzusehr auf den Schutz
des Königs. Auf jeden Fall bringe mich nicht in Ungelegenheiten
bei der theologischen Fakultät.
Doch als sich die Gefahren häuften, wurde Bequins Eifer um
so größer. Weit davon entfernt, auf die weltklugen und eigennützi-
gen Ratschläge des Erasmus einzugehen, entschloß er sich zu noch
1
Wylie, ebd., 13.Buch, Kapitel 9, 159
1
Erasmus, „Opus epistolarum“, Bd. II, 1206