Seite 224 - Der gro

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Der große Kampf
geheure Menschenmenge hatte sich versammelt, um der Hinrichtung
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beizuwohnen, und viele erkannten mit Staunen und Besorgnis, daß
das Opfer den besten und rechtschaffensten Adelsfamilien Frank-
reichs angehörte. Bestürzung, Entrüstung, Verachtung und bitterer
Haß verfinsterten die Angesichter jener wogenden Menge; aber auf
einem Antlitz ruhte kein Schatten. Die Gedanken des Märtyrers
weilten weitab von jenem Schauplatz der Aufregung; er war sich
nur der Gegenwart seines Herrn bewußt.
Der elende Sturzkarren, auf dem er saß, die düsteren Gesichts-
züge seiner Verfolger, der schreckliche Tod, dem er entgegenging
— all dies beachtete er nicht. Der da lebendig ist von Ewigkeit zu
Ewigkeit und die Schlüssel der Hölle und des Todes hat, war ihm
zur Seite. Auf Berquins Antlitz leuchtete des Himmels Licht und
Friede. „Er war mit einem Samtrock sowie mit Gewändern von Atlas
und Damast angetan und trug goldbestickte Beinkleider.
Er stand
im Begriff, seinen Glauben in Gegenwart des Königs aller Könige
und vor dem ganzen Weltall zu bekennen, und kein Anzeichen der
Trauer sollte seine Freude Lügen strafen.
Als der Zug sich langsam durch die von der Menge umdrängten
Straßen bewegte, nahm das Volk mit Bewunderung den unumwölk-
ten Frieden und die freudige Siegesgewißheit seines Blickes und
seiner Haltung war. „Er ist“, sagten einige, „wie einer, der in einem
Tempel sitzt und über heilige Dinge nachdenkt.
Auf dem Scheiterhaufen versuchte Berquin einige Worte an die
Menge zu richten; aber die Mönche begannen, da sie deren Folgen
fürchteten, zu schreien und die Soldaten klirrten mit ihren Waffen,
daß der Lärm die Stimme des Märtyrers übertönte. „Auf diese Weise
setzte im Jahre 1529 die höchste gelehrte und kirchliche Autorität
in dem gebildeten Paris der Bevölkerung von 1793 das gemeine
Beispiel, auf dem Schafott die ehrwürdigen Worte eines Sterbenden
zu ersticken.
Berquin blieb bis zum letzten Augenblick standhaft. Er wurde
vom Henker erdrosselt und sein Leichnam den Flammen überge-
ben. Die Kunde von seinem Tode rief in ganz Frankreich unter den
1
D‘Aubigné, „Geschichte der Reformation zu den Zeiten Calvins“, 2.Buch, Kapitel
16
1
Wylie, ebd., 13.Buch, Kapitel 9
1
Wylie, ebd. 13.Buch, Kapitel 9