Seite 230 - Der gro

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Der große Kampf
er wiederum eine Zuflucht, diesmal auf den Besitzungen Margaretes
von Parma
Hier blieb er einige Monate, sicher unter dem Schutz mächtiger
Freunde, und befaßte sich wie zuvor mit seinen Studien. Aber sein
Herz war auf die Verbreitung des Evangeliums in Frankreich be-
dacht, er konnte nicht lange untätig bleiben. Sobald der Sturm sich
etwas gelegt hatte, suchte er ein neues Arbeitsfeld in Poitiers, wo
eine Universität war, und wo man die neue Auffassungen bereits gün-
stig aufgenommen hatte. Leute aller Stände lauschten freudig dem
Evangelium. Es wurde nicht öffentlich gepredigt; aber im Hause des
Oberbürgermeisters, in seiner eigenen Wohnung und zuweilen in ei-
ner öffentlichen Gartenanlage erschloß Calvin die Worte des Lebens
denen, die sie hören wollten. Als die Zahl seiner Zuhörer wuchs,
hielt man es für sicherer, sich außerhalb der Stadt zu versammeln.
Eine Höhle an der Seite einer tiefen, engen Bergschlucht, wo Bäume
und überhängende Felsen die Abgeschiedenheit vervollständigten,
wurde als Versammlungsort gewählt. Kleine Gruppen, die die Stadt
auf verschiedenen Wegen verließen, fanden ihren Weg dorthin. An
diesem abgelegenen Ort wurde die Bibel gelesen und ausgelegt. Hier
wurde zum erstenmal von den Protestanten Frankreichs das heilige
Abendmahl gefeiert. Diese kleine Gemeinde sandte mehrere treue
Evangelisten aus.
Noch einmal kehrte Calvin nach Paris zurück. Auch jetzt konnte
er die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß Frankreich als Ganzes die
Reformation annehmen werde. Aber er fand fast überall verschlos-
sene Türen. Das Evangelium lehren, hieß den geraden Weg auf den
Scheiterhaufen einschlagen, und er entschloß sich schließlich, nach
Deutschland zu gehen. Kaum hatte Calvin Frankreich verlassen,
brach der Sturm über die Protestanten herein, der ihn, wäre er länger
dort geblieben, sicherlich mit in das allgemeine Verderben gerissen
hätte.
Die französischen Reformatoren, die ernstlich wünschten, daß
ihr Land mit Deutschland und der Schweiz Schritt hielte, beschlossen
gegen die abergläubischen Gebräuche Roms einen kühnen Streich
zu führen, der die ganze Nation aufwecken sollte. Demgemäß wur-
1
D‘Aubigné, „Geschichte der Reformation zu den Zeiten Calvins“, 2.Buch, Kapitel
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