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Der große Kampf
Oder wenn in den Tagen der Apostel alle Menschen die Religion
der römischen Kaiser gehabt hätten, welche Religion würde dann
auf Erden gewesen sein? ... Und so, Madame, können Sie sehen, daß
Untertanen nicht von der Religion ihrer Fürsten abhängen, wenn
ihnen auch geboten wird, ihnen Ehrfurcht zu erzeigen.“
Da sagte Maria: „Ihr legt die Heilige Schrift auf diese Weise aus,
sie (die römischen Lehrer) auf eine andere; wem soll ich glauben,
und wer soll Richter sein?“
„Sie sollen Gott glauben, der deutlich spricht in seinem Worte“,
antwortete der Reformator, „und weiter als das Wort lehrt, brauchen
Sie weder das eine noch das andere zu glauben. Das Wort Gottes ist
klar in sich selbst, und wenn irgendeine Stelle dunkel ist, so erklärt
der Heilige Geist, der sich nie widerspricht, sie deutlicher an andern
Stellen, so daß kein Zweifel obwalten kann, es sei denn für die,
welche hartnäckig unwissend sind.
Solche Wahrheiten verkündete der furchtlose Reformator unter
Lebensgefahr vor den Ohren seiner Regentin. Mit dem gleichen
unerschrockenen Mut hielt er an seinem Vorhaben fest und betete
und kämpfte für den Herrn so lange, bis Schottland vom Papsttum
frei war.
In England wurde durch die Einführung des Protestantismus
als Staatsreligion die Verfolgung zwar vermindert, aber nicht völlig
zum Stillstand gebracht. Während man vielen Lehren Roms absagte,
blieben nicht wenige seiner Gebräuche erhalten. Die oberste Au-
torität des Papstes wurde verworfen, aber an seiner Stelle wurde
der Landesherr als Haupt der Kirche eingesetzt. Der Gottesdienst
wich noch immer erheblich von der Reinheit und Einfachheit des
Evangeliums ab. Der große Grundsatz religiöser Freiheit wurde noch
nicht verstanden. Wenn auch die schrecklichen Grausamkeiten, die
Rom gegen die Ketzerei angewandt hatte, von protestantischen Herr-
schern nur selten ausgeübt wurden, so anerkannte man doch nicht
das Recht eines jeden einzelnen, Gott nach seinem eigenen Gewis-
sen zu verehren. Von allen wurde verlangt, die Lehren anzunehmen
und die gottesdienstlichen Formen zu beachten, welche die Staats-
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kirche vorschrieb. Andersdenkende waren mehr oder weniger der
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Laing, „The Works of John Knox“, Bd. II, 281,284