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Die Bibel und die Französische Revolution
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Bald darauf erfolgte die öffentliche Verbrennung der Bibel. Bei
einem derartigen Anlaß betrat die „Gesellschaft der Volksfreunde“
den Saal der höchsten Behörde mit dem Ruf: „Es lebe die Vernunft!“
Auf der Spitze einer Stange trugen sie die halbverbrannten Überreste
verschiedener Bücher, darunter Gebetbücher, Meßbücher und das
Alte und Neue Testament, die wie der Präsident sich ausdrückte, „in
einem großen Feuer die gesamten Torheiten sühnten, die zu begehen
sie das menschliche Geschlecht veranlaßt hatten“
Das Papsttum hatte das Werk begonnen, das die Gottesleug-
ner nun vollendeten. Roms Politik hatte jene gesellschaftlichen,
politischen und religiösen Zustände zur Folge die Frankreich dem
Verderben zutrieben. Schriftsteller, die die Schrecken der Revoluti-
on schildern, sagen, daß jene Ausschreitungen dem Thron und der
Kirche zur Last gelegt werden müssen. Ein gerechtes Urteil muß
sie der Kirche zurechnen. Das Papsttum hatte Voreingenommenheit
gegen die Reformation in die Gemüter der Könige gesät, als wäre
sie ein Feind der Krone, eine Ursache zur Uneinigkeit, die sich dem
Frieden und der Eintracht der Nation verhängnisvoll erwiese. Der
Einfluß Roms führte auf diese Weise zu den entsetzlichsten Grau-
samkeiten und zur bittersten Unterdrückung, die je von einem Thron
ausgegangen sind.
Der Geist der Freiheit zog mit der Bibel in die Herzen der Men-
schen ein. Wo das Evangelium Aufnahme fand, wurden die Gemüter
der Menschen belebt. Sie fingen an, die Fesseln, die sie als Sklaven
der Unwissenheit, des Lasters und des Aberglaubens gehalten hat-
ten, abzuschütteln und wie Männer zu denken und zu handeln. Die
Herrscher sahen es und fürchteten für ihre unumschränkte Gewalt.
Rom versäumte es nicht, ihre eifersüchtigen Befürchtungen zu
nähren. Der Papst sagte im Jahre 1525 zu dem Regenten Frankreichs:
„Diese Tollwut (der Protestantismus) wird nicht nur die Religion
verwirren und verderben, sondern außerdem auch alle Fürsten- und
Adelswürden, Gesetze, Orden und Rangunterschiede.
Einige Jahre
später warnte ein päpstlicher Gesandter den König: „Sire, täuschen
Sie sich nicht, die Protestanten werden die bürgerliche wie die religi-
öse Ordnung untergraben ... Der Thron ist ebensosehr in Gefahr wie
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Jurnal von Paris, 1793, Nr. 318
1
Félice, „Geschichte der Protestanten Frankreichs“, 1.Buch, Kapitel 2, 8.Abschnitt,
Leipzig, 1855